Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Postelberg. 
Bearbeitet von 
Rabbiner Samuel Ungermann, Postelberg. 
JDie erste Ansiedlung der Juden in Poistelberg (c. 
Postoloprty) ist mit voller Sicherheit nicht festzu¬ 
stellen. Zwar lie^t ein Originalpaß im Schwarzenber¬ 
gischen Arch, vor, welcher in Wien am 27. Feber 1671 
ausgestellt wurde und per Imperatorem vom damali¬ 
gen Schloßherrn der hiesigen Domäne Grafen Ludwig 
Georg von Sinzendorf gefertigt wurde. Laut diesem 
Paß und dem im Arch, befindlichen Dokument sind 
die folgenden 5 Juden nachdem sie aus Österreich 
ausgewiesen wurden, nach P. gekommen: Moisés 
Ries, Samuel F rank, Mark Lazarus und Na¬ 
than Moyses. Im selben Jahre erhalten sie vom 
Grafen ihre Privilegien und in diesem Freibrief wer¬ 
den schon 20 Familien aufgezählt, denen ihre Wohn¬ 
häuser zugewiesen wurden, für welche sie durch¬ 
schnittlich 20—25 Gulden zu entrichten hatten. Auch 
mußten sie als Gesamtheit eine jährliche Schutzsteuer 
von 600 Gulden dem Grafen bezahlen. 
Ein Beamter der P. Herrschaft, Johann V e s s e 1 y, 
hat in den 90 ger Jahren des vorigen Jhts. eine Gesch. 
der Postelberger Domänenherrschaft geschrieben, in 
der sich über die Juden folgende Mitteilung vorfindet: 
„Insgesamt waren im J. 1671 55 jüd. Seelen in P., aber 
schon im J. 1675 zählten die Juden 88 Seelen." 
Ein weiteres Dokument vom 8. Juli 1674 verewigt 
die erste stattgefundene Wahl. Es lautet: 1674 den 8. 
Juli bey vorgenommener Wahl seindt aus der Gantzen 
im Städtl Postelberg befindenten Und beysammen ge¬ 
wesenen Judenschaft durchs Loss 7 Unpartheyische 
Personen Herauskommen, durch welche erwählet 
worden, nembi. 
dem Moyses Ries Vor einen Richter 
Elias P o 11 a k h, Moyses Ries jun. v. Sinsendorf 
geschworene, 
Abrahamb Moyses von Korhorn Lazarus Jakob 
v. Sins end o rf 
Moyses Pollak Cassiere 
Lazarus Salamon, Nathan Beri Samuel Frank Kir- 
chen-Vätter. 
Welche Wahl in bey sein Ihr o gestreng (Titul) Herrn 
Campivus Undt hiesigen Herrn Haubimanns bis auf 
Ihro Hochgräfl. Excellenz gnedige Ratification ge¬ 
schehen. 
In ganz kurzer Zeit nahm die jüdische Gemeinde ei¬ 
nen verhältnismäßig raschen Aufstieg, denn schon im 
J. 1683 macht die Zahl der Juden 124 Seelen aus. Das 
rasche Anwachsen der jüd. Seelenzahl erregte den 
Neid und Mißfallen der Stadtbewohner, die sich mit 
einem Bittgesuch an den Fürsten wandten, indem sie 
anführten: „Der Bürgermeister, Rath und ganze Ge¬ 
mein in Postelberg ersucht um Abschaffung der Juden, 
da sie nicht zum Nutzen dem armen Städtl, vielmehr 
zum Schaden aida beharren66 Sie bieten auch dem Für¬ 
sten Schwarzenberg, der inzwischen im J. 1692 die 
Herrschaft vom Grafen Sinzendorf kaufte, einen Be¬ 
trag von 7000 Gulden für den Platz der Judenstadt 
an. Dies Gesuch hatte auch seine üblen Folgen. Der 
Schloßhauptmann stellte angesichts der drohenden 
Stimmung der Stadt, beim Fürsten den Antrag, die 
Judenzahl zu vermindern. Der Fürst obwohl den Juden 
gewogen, schreibt dem Schloßhauptmann: 
„Wir haben auch bisher in vielen Gelegenheiten 
selbst wahrgenommen, was die große Menge dieses 
Gesindels, sowohl dortiger Bürgerschaft, als denen 
übrigen Untertanen durch allerhand practiken, Diebe¬ 
reien und Betrug in ihrer Nahrung und sonsten, bei so 
langer arrestir- und processierung der jüdischen Die¬ 
besrotte vor Ungelegenheit und Schaden zugefüget, da¬ 
her Wir gnädigst und wohl aufnehmen und den von 
Euch vorgeschlagenen modum reductionis allerdings 
approbieren können66 
Adam Franz von Schwarzenberg befreite die Stadt 
P. am 4. Oktober 1704 von der Untertänigkeit. Er ließ 
auch den um diese Zeit über 200 Seelen zählenden Ju 
den seine Gunst angedeihen, indem er ihnen die schul¬ 
digen Zinsen, die die Juden an den fürstl. Hof ent¬ 
richten mußten, nachließ. (Vessely.) 
Später gibt die fürstliche Hofkanzlei unter dem 18. 
März 1711 den Befehl zur Abschaffung von 22 Fami¬ 
lien samt Anhang. Scheinbar haben auch die Juden 
alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Ausweisung 
rückgängig zu machen, denn im J. 1715 verspricht die 
Prager Statthalterei ihre Angelegenheit zu untersu¬ 
chen, um die Ausweisung rückgängig zu machen. Ob 
die Ausweisung sistiert wurde, ist aus den Dokumen¬ 
ten nicht ersichtlich. Trotz der vielen Schikanen und 
Beschränkungen, welchen die Juden ausgesetzt waren, 
entwickelt sich zusehends das jüdische Leben. Schon 
im J. 1682 überreichen die Gemeinde-Ältesten der 
Herrschaft ihre ersten Gemeindestatuten unter dem 
Namen: „Jüdische Observations Puncten, unterschrie¬ 
ben von Moyses Ries Judenrichter, Elias Pollak, 
Samuel F r a n k h, H ir s c h I K o r h o r n und 
Lobi Josef.66 Die wichtigsten §§ sind: 
1. Vor das erste ist ohne dem bewusst, dass ein jeder 
Judt sich fleissig Undt andächtig er-zeigen Undt 
alle Tage wenn möglich in die Schul gehen soll* 
2. Pallethen muss jeder willig annehmen. 
3. Wenn jemand den Richter oder Geschworenen 
beleidigt, kann er bestraft werden mit Bann, Ge- 
fängniss oder Geld. Wolle er appelieren zum 
obristen Rabbiner zu Prag, oder zum Landes¬ 
deputierten, muss er für die Unkosten 4 Thaler 
erlegen. 
4. Welcher in der Anlag liegt von 4 Kr. und dar¬ 
über ist ein Reicher, von 2 Kr. und darüber ist 
ein Mitler, unter 2 Kr. ist ein Armer. 
5. Keiner soll zu einigen Amt befördert werden bis 
3 Jahre nach seiner Wirtschaft. 
6. An ein Freitag und dem Tag vor ein Feiertag 
soll kein Ambt nit macht haben einen zu ecsicwi- 
ren, es sei mit Bann mit Arest zu belegen ausser 
Postoloprty l 33 
513 
Postelberg 1
	        
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