Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

der oben genannte Meier Abraham, schon 1749 das 
nachher mit der Nummer XVIII bezeichnete Hans 
von Khanny Österreicher erkauft hatte. Diese beiden 
Brüder hatten eine Handelskompagnie gegründet und 
nahmen 1783 Meiers Weib Sorl und dessen noch un¬ 
mündigen Sohn Aron in die Gesellschaft auf, wobei 
sie letzterem ein Erbteil von 500 fl. sicherstellten. 
Die Firma sollte den Namen „Meier und Samuel Ja- 
nowitzer" weiter — und! nach Meiers Tode die Be¬ 
zeichnung „Samuel und Meier Janowitzer seel. Erben" 
führen. Sie hatte in dieser Form keinen langen Be¬ 
stand, denn schon 1790 schloß Samuel Abraham Ja¬ 
nowitzer mit seinen zwei Söhnen Wolf und Abraham 
einen „Sozietätskontrakt in Woll- und Federnhandel" 
auf sechs Jahre. Samuel brachte das mit 6864 fl. be¬ 
wertete Warenlager, ferner Außenstände von 4163 fl. 
und 1500 fl. bar, Wolf, der schon viele J. das Ge¬ 
schäft mit seinem Vater gemeinsam betrieben hatte, 
9919 fl. bar und 4163 fl. Aktivschulden und der dritte 
Teilhaber, Abraham, 7000 fl. zu, ein Kapital von zu¬ 
sammen 33.609 fl. Die Gesellschaft erhielt den Namen 
Samuel Janowitzer und Söhne. Der Vater Samuel han¬ 
delte außerdem noch auf eigene Faust mit Leinwand, 
Heu, Getreide und stand mit den Herrschaftsämtern 
Bistritz (Palm-Gundelfingen) und Teinitzl (Kolowrat) 
in lebhafter Geschäftsverbindung. In den Rechnungen 
der Gesellschaft erscheinen „Stöckner Wolle*' (aus 
der Palmschen Herrschaft Stecken bei Iglau) und 
„Klattauer Wolle" (einheimische Ware) erwähnt. Leb¬ 
hafte Geschäftsverbindung bestand mit der Federn¬ 
firma Arnstein in Wotitz. 
Als Samuel Abraham Janowitz im J. 1769 für das 
Amt des Neuerner Judenrichters in Vorschlag ge¬ 
bracht wurde, bat er die Obrigkeit, von seiner Person 
abzusehen, „zumal er gar ansehnliche Kapitalien in 
seiner Handlung stehen habe und überhaupt seine 
Handlung so beschaffen sei, daß er ofte und weite 
Reisen zu tun genötigt und ein junger Mann sei.'' 
Graf Palm hatte ein Einsehen und wies das Bistritzer 
Amt an, ihm einen andern Richter vorzuschlagen23). 
Dieses Handelsgeschäft, das mit Mitteln arbeitete, 
die für jene Zeit ungewöhnlich groß waren und das 
einen großen Teil Böhmens mit seinen Geschäftsbezie¬ 
hungen umspannte, veränderte dann seien Namen in 
Janowitzer, Porge s & Co, ispäter in Jan o- 
witzer & Fleisch 1. Die Firma Fleischl be¬ 
treibt heute noch in N. die Reinigung und den Versand 
von Bettfedern. Ein Sohn dieser Firma machte sich — 
ebenfalls im Federngeschäft — in Budapest selbstän¬ 
dig, wo die Firma heute noch beisteht. Der gegenwär¬ 
tige Inhaber, Herr Alexander Fleischl, ist auch kgl. 
dänischer Konsul. 
Sehr alt ist auch die schon 1746 genannte Firma 
Klauber, heute A. Klaubers S o h n in N. Sie be¬ 
treibt ebenfalls eine Dampfreinigung und versendet 
die Federn im großen an Versandfinnen und Klein¬ 
geschäfte im In- und Auslände. 
Um 1840 war eines der größten Federngeschäfte in 
N. die Firma P o r g e s, V a t e r & Sohn; für die Zeit 
um 1800 muß noch das Bettfederngeschäft Hönig 
H a h n in N. genannt werden, das mit großen Geldmit¬ 
teln arbeitete. Außer der oben genannten Firma Arn¬ 
stein in Wotitz waren die Neuerner Federnhändler 
noch mit Adam Fürth in Schwihau (1732), später Su¬ 
sanna Fürth & Söhne (1800), Daniel Fürth in Schiit- 
tenhofen (1800), David Bechinsky in Tutschapp bei 
Sobieslau und Moisés Zachelius (1788) im selben Orte, 
in Verbindung. Einen lebhaften Aufschwung nahm 
das Neuerner Federngeschäft nach den Franzosen¬ 
kriegen und besonders nach dem großen Brande in 
Hamburg (1842) und um 1845 ging aus der Neuerner 
Gegend jährlich eine Menge von 10.000 Zentnern 
nach Deutschlands in die Schweiz, nach Holland und 
Frankreich 24). 
Es gab im westlichen Böhmen einen Ort, der sich 
nach 1800 bemühte, N. seinen beherrschenden Rang 
im Federngeschäfte streitig zu machen; es war dies 
Alt- und Neuzedlisch bei Tachau, die eine große 
und reiche J. G. hatten 25) ; der Begründer des Hauses 
Rothschild in Paris soll sich bemüht haben, mit 
einem der Altzedlischer Großhändler in Kompagnie zu 
treten, aber ohne Erfolg. Große Brände verhinderten 
aber den weiteren Aufschwung der beiden Orte und N. 
verlor diesen Konkurrenten bald, ihn weit hinter sich 
lassend. 
Die Neuerner jüdischen Federnhändler, durch eng¬ 
herzige Vorschriften in ihrer Freizügigkeit beschränkt 
und am Reisen und Hausieren gehindert, waren ge¬ 
zwungen, nach einem Auswege zu suchen und fanden 
ihn darin, daß sie die ehr isti. Einwohner des 
Angeltales mit ihrer Ware in die Welt schickten. Und 
die Sache ging und entwickelte sich günstig. Die „Fe¬ 
dernjuden" wurden Großhändler. Sie saßen in N. da¬ 
heim über mächtigen Handelsbüchern und vor ausge¬ 
dehnten Lagerräumen und zogen durch ihre Aufkäufer 
und Agenten die Rohware aus dem Osten an sich, die sie 
in ihrem Betriebe veredelten; zu gleicher Zeit zog fast 
der größere Teil der städtischen und ländlichen männ¬ 
lichen Bevölkerung aus N. und dessen weitem Um¬ 
kreise mit der Ware in die Welt hinaus. Bald erstreckte 
sich von N. aus ein Netz von Niederlagen und Zweig¬ 
geschäften über das ganze Deutsche Reich und die 
Alpenländer. Da die christl. Verkäufer meist in Gesell¬ 
schaft reisten — mit ihren Teilhabern und Trägern — 
mußten sie sich im Notfalle auch in Anwesenheit der 
Kunden auf eine diesen unverständliche Weise unter¬ 
einander verabreden können. Darum hatten sie ihre 
Patrone, die jüdischen Hamlelsherren, die von N. aus 
den riesigen Betrieb übersahen, ausbauten und leite¬ 
ten, ihre Verkäufer mit einer Art Geheimsprache aus¬ 
gerüstet, deren Wortschatz fast ganz dem Hebräischen 
entstammte. Einige Brocken dieses Federnhändler jar¬ 
gons leben heute noch in der Neuerner Mundart 
fort20). 
Im engen Zusammenhange mit dem Federnhandel 
stand der Handel mit Schafwolle; nicht nur 
deshalb, weil Wolle ebenfalls ein Landesprodukt war, 
sondern weil sie mit den Federn vieles, vor allem den 
Zweck der Füllung von Polstern und Decken gemein¬ 
sam hatte. Wolle war vielfach geradezu ein Ersatz¬ 
mittel für Federn geworden. Man erinnere sich nur 
an die heute so blühende Wattedeckenerzeugung, die 
gegenwärtig ebenfalls im Dienste der Bettindustrie 
steht. So wurde der Federnhandel gewöhnlich auch 
mit dem Wollhandel verbunden und die Federnhänd¬ 
ler waren zugleich auch Wollhändler. 
Im 17. und 18. Jht. war die Schafzucht in Böhmen 
hoch aufgeblüht. Sie wurde vor allem von den Guts¬ 
herrschaften betrieben, große Schafhütten und Meier¬ 
höfe waren einesteils durch den Erwerb und den Zu¬ 
sammenkauf kleinerer Rittergüter entstanden, ander¬ 
seits durch die Zusammenlegung von durch den drei¬ 
ßigjährigen Krieg verwüsteten Bauernhöfen, deren 
Siedler abgängig waren. Aus dem 18. Jht. sind zahl¬ 
reiche Klagen von Bauern überliefert, denen die nach 
Tausenden zählenden „obrigkeitlichen46 Schafherden 
die Gemeindehutweide schmälerten 27). 
Der Wollertrag war ein wichtiger Teil des Einkom¬ 
mens der Großgüter. Er wurde gewöhnlich schon auf 
eine Reihe von Jahren im voraus an Juden verkauft 
und jede Herrschaft hatte da meist schon ihre festen 
Abnehmer. 
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