Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

darf aus den kaiserl. „Salzstadeln6 zu Taus oder 
K 1 a 11 a u. Weil die Gemeinde dann aber das Salz 
auch an Auswärtige verkaufte, wurde ihr im J. 1782 
der Salzverschleiß entzogen. Aber noch im J. 1840 
wurde das Verbot des jüdischen Salzverschleißes er¬ 
neuert. Auch mit Pulver und Salniter (Salpeter) durf¬ 
ten die Juden nicht handeln. 
Dagegen wuchs sich der Handel mit Landesproduk¬ 
ten aller Art zu einem bald ausschließlichen Haupt¬ 
gebiet des Handels der Juden aus, so der mit Bett¬ 
federn, Schafwolle, rohen Häuten, Hasenfellen, 
Flachs, Garn, Leinwand, Rindvieh, Pferden und spä¬ 
ter auch mit Getreide. Mit dem Viehhandel war auch 
der Betrieb des Fleischergewerbes verwandt, dem 
1713 vier jüdische „Fleischhacker" oblagen. 
Neben den Wirtschaftsiiberschiisseii der bäuerli¬ 
chen Bevölkerung waren die Herrschaftsämter der 
Gegend, vor allem Bistritz, zu dem s. d. J. 1757 auch 
das Gebiet der Herrschaft Deschenitz gehörte, die 
bedeutendsten Quellen für den Einkauf der Landes¬ 
produkte. Eine Aufschreibung vom 30. Dezember 
1728 überliefert uns, was innerhalb kurzer Zeit vom 
Wirtschaftsamte in Bistritz an den Kaufmann Jakob 
Aaron in Neustadtl bei Hay d verkauft worden 
war. Den Neuerner Geschäftsleuten hatte es damals 
offenbar an den Mitteln gefehlt, um mit ihrem reichen 
Neustadtler Glaubensgenossen in Wettbewerb treten 
zu können. Der „Jud Neustadtl66 kam umso leichter 
zu diesem Riesengeschäfte, als er ein Wechselgläubi¬ 
ger des damaligen Gutsherrn von Bistritz, Karl Ri¬ 
chard von Schmidlin war. Dieser Herr Schmidlin 
schuldete damals an nicht weniger als 165 Gläubiger 
die ungeheure Summe von zusammen drei Millionen 
Gulden und bei seiner Krida gingen rund vier Fünf¬ 
tel seiner Gläubiger leer aus. Es war dies eine Kata¬ 
strophe, die damals Böhmens Kreditwesen aufs tief¬ 
ste erschütterte. Der schlaue Jakob Aaron hatte es 
verstanden, sich rechtzeitig Deckung zu verschaffen, 
wurde aber dann wegen Wuchers eingesperrt. Seine 
Obrigkeit nahm sich wacker um ihn an; Fürst Löwen¬ 
stein setzte sogar sein eigenes Gut für ihn zum Pfände 
ein. In einer Eingabe an den Kaiser schrieb Neustadtl, 
er habe „im Pilsner Kreis und in anderen Kreisen in 
diesem Königreich die lierrsehaftl. Wirtschaftsgefälle, 
Wolle, Butter, Schmalz, Leinwand, Federn, Vieh und 
dergleichen versilbert" und aus dem Auslande Millio¬ 
nen an Geld ins Land gebracht. Er sei ein in unter¬ 
schiedlichen Ländern seinen Geschäften nachreisender 
Mann gewesen, der durch ganze dreißig Jahre „nicht 
acht Tage zuhaus morirei" habe. Seit er im Unglück 
ist, seien ihm Vater, Mutter und Eidam gestorben. 
Die große Zahl der ärmeren Juden kaufte die Ware 
auf den Dörfern des großen Umkreises zusammen und 
lieferte sie an die größeren Händler ab. Ein solcher 
war nach 1800 Salomon Bloch in Unterneuern, der 
Häute, rohes Leder, Rauchwaren, Flachs und Hanf 
und andere Waren — besonders stark nach Bayern 
handelte. Er war der größte Händler der ganzen Ge¬ 
gend bis Pilsen hin und fuhr jeden Monat einmal 
nach Prag; noch um 1880 und 1890 wurde in N. von 
im erzählt. 
Den wichtigsten Handelszweig der Neuerner 
Judenschaft bildete der Handel mit Bettfedern 
und Schafwolle. 
Der Neuerner Federuhandel. 
Das kleine, unbedeutende Städtchen N. hatte im 
Federnhandel bald den königl. Städten in Westböh¬ 
men (Pilsen, Taus, Klattau) den Rang abgelaufen. 
Wie war dies möglich? 
Wir haben gesehen, daß die eigentlichen Urheber 
und Träger dieses Handelszweiges die Juden der Ge¬ 
gend waren. Nun hatten aber die königl. Städte eine 
alte Freiheit, kraft deren sie keine Juden innerhalb 
ihrer Mauern zu dulden brauchten. Und sie machten 
von diesem Vorrechte auch Gebrauch. Kaum daß sie 
zu Marktzeiten die handelsbeflissenen Juden inner¬ 
halb ihrer Mauern übernachten ließen! Da diese so¬ 
nach in den Städten nicht Fuß fassen konnten, ver¬ 
legten sie ihre Wirksamkeit auf die Güter des Adels 
im Umkreise und im Hinterlande dieser Städte. In 
N. hatte dann die Lage an der Grenze und an einem 
wichtigen Handelswege, die leichte Zufahrtsmöglich¬ 
keit, die Förderung der Gutsherren, die dabei auch 
nicht zu kurz kamen, das Vorhandensein einer dich¬ 
ten, zur Federnarbeit wie für den Hausierverschleiß 
verwendbaren christl. Bevölkerung. 
Da der Handel mit Gänsen und Federn schon von 
seinen ersten Anfängen „ins Reich", also gegen We¬ 
sten ging, so ist es leicht erklärlich, daß sich diese 
Waren auch im Westen Böhmens aufhäuften. Hier an 
dem nicht bloß für den Krieg wichtigen Landestore 
von Neumark-Taus sammelten sich seit jeher die 
Gänseherden und Federnballen, die Überfluß des Lan¬ 
des, um von hier aus ihren Weg nach Deutschland! zu 
nehmen. Hier, auch der Nachfrage am leichtesten er¬ 
reichbar, ward die Gegend von Taus über Neumark 
und N. bis Drosau der Hauptplatz für den böhmischen 
und später den europäischen Bettfedernhandel; N. 
aber war der Hauptort dieses G e s c li ä f- 
t e s. In einer älteren Auflage von Mayers Lexikon 
wird N. geradezu als der Mittelpunkt des 
europäischen Federnhandels b e z e i c li¬ 
li e t. Für das Alter und die Bedeutung dieses Han¬ 
dels für Westböhmen überhaupt spricht der Umstand, 
daß schon im vierzehnten Jlit. — unter Kaiser 
Karl IV. — der Stadt Taus neben einem vierzehn- 
tägigen Markte das Privilegium der Federnausfuhr 
erteilt worden war22). Heute noch sind die Pilsener 
Märkte für den Federnhandel von Bedeutung. Nach 
den alten Pilsener Marktordnungen hatten die auf 
diesen berühmten Märkten immer stark vertretenen 
Bettfedern und Gänse ihre eigenen, durch die Ge¬ 
wohnheit fest bestimmten Standorte. Für die Leute, 
ctie ihn mit Sachkenntnis und Umsicht betrieben, war 
der Federnhandel ertragreich; die meisten Händler 
wurden zur Blütezeit dieses Geschäftes wohlhabend. 
Es gab mehrere Abstufungen der Arbeit im Federn¬ 
geschäfte; da waren vor allem die Aufkäufer, 
die die rohe Ware von den Bauern zusammenhausier¬ 
ten, dann die Großhändler, die die Ware aus 
den Erzeugungsgebieten bezogen und in ihren Be¬ 
trieben entkeimen, reinigen, schleißen und sortieren 
ließen; die Klein h ä n d 1 e r, denen die Ausfuhr, 
die Aufsuchung der abnehmenden Kundschaft im 
Auslande oblag und drittens die Hausierer, die 
die Ware in kleinen Mengen den Kunden in die Häu¬ 
ser trugen. Aufkäufer und Großhändler waren fast 
immer Juden, die die Ware absetzenden Kleinhändler 
und Hausierer waren Christen. 
In N. hatte die J. G. einen besonderen „Feder- 
handelzins" von 15 fl. zu entrichten. Hier betrieb um 
die Mitte des 18. Jhts. das größte Federngeschäft 
Meier Abraham Janowitz, der z. B. im J. 
1764 bei dem Kleinhändler Johann Huter die schöne 
Summe von 1530 fl. und bei dessen Bruder Veit Hue- 
der i. J. 1768 eine Wechselforderung von 1415 fl. gut 
hatte. 1742 hatte der aus Janowitz zugezogene Han¬ 
delsmann Abraham Lobi ein Haus im sog. Juden- 
winkel, das im J. 1771 die Nummer VII erhielt, er¬ 
kauft. Er übergab es 1756 an seinen Sohn Samuel 
Abraham Jano w it z e r, während der andere Sohn, 
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