Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Muttersdorf. 
Bearbeitet von 
Direktor Johann Micko, Muttersdorf. 
er die erste Ansiedlung von Juden in Mutters¬ 
dorf (c. Mutenin) haben wir genaue Kunde, denn 
der damalige Pfarrer Tobias Hankelius berichtet 
hierüber am 3. Oktober 1669 an das Konsistorium in 
Prag. Vor 1635 war nur Abraham Diti mit 
seiner Familie hier. Er war also der erste Jude, 
besaß das jetzige Haus Nr. 85, die „Abraham-Cha- 
lupperi', zahlte 1644 der Herrschaft 8 Groschen 
Zins und hatte einen Tag Robot. Dieses älteste Juden¬ 
haus ist 1680 schon eine ödung. 1635 haben sich in 
M. David Sal o m o n und Nathan mit ihren 
Familien seßhaft gemacht, 1650 ist Samuel her¬ 
gezogen, 1654 Semi Mayer aus Ronsperg. 1669 
hatten die zwei Söhne des verstorbenen Diti schon 
Familien. Es bestanden also 6 Familien mit 40 Per¬ 
sonen. Bei David Salomon heißt es „hat ein Haus 
unter dem Schutze der Herr schaff (jetzt Nr. 107), 
bei den andern „ein Christenhaus66. Nathan besaß das 
jetzige Haus Nr. 96, Semi Mayer Nr. 67. Auch die 
Dienstboten sind Juden. 
1663 bitten die Juden in M. das erzbischöfl. Kon¬ 
sistorium in Prag, eine hölzerne Synagoge errichten 
zu dürfen, weil sie nur eine absonderliche Kammer 
zum tägl. Gebete haben. Einer läßt nun ein hölzernes 
Häuschen und eine Kammer (nicht eine Schule) 
bauen. Dieser Bau wurde über Anhalten des Pfarrers 
Berner vom Prälaten in Teinitz eingestellt. 
Am 7. August 1663 beschwert sich der Erzdechant 
Birdelius in Bischofteinitz über vorgebrachte Klage 
des Patrons Jakob v. Wiedersperg und des Pfarrers 
in M. in kräftigen Ausdrücken über die Frechheit der 
Juden, welche auf eigene Faust heimlich eine Syna¬ 
goge errichtet haben, obwohl in der Gegend mehrere 
sind; wie die Ronsperger Juden auf herrschaftlichem 
Boden eine Synagoge errichtet, wie es auch in Bi¬ 
schofteinitz geschah. Die Bischofteinitzer Stadtväter 
haben sich unverrichteter Dinge an Exzellenz Trautt- 
mansdorff gewendet. Nach der abgelaufenen Zeit, 
am 11. August, will der Erzdechant vorgehen, falls 
ihm keine andere Weisung zukommt. 
Im J. 1669 wenden sich die Juden wieder an das 
Konsistorium, weil der Schutzpatron Wiedersperg 
über Anstiften der Teinitzer Geistlichen die Abhal¬ 
tung der jüd. Gebete in besagter Kammer bei 100 
Reichstaler Strafe verboten hat, obwohl die Kammer 
keine Judenschule ist. Sie bitten „Euer erzbischöf¬ 
liche Gnaden und Hochwürden, unser untertänigstes 
Anflehen, mit Aufhebung der Hände, Fuß fall und um 
Gottes Willen bitten, dieselben geruhen, ohne unser 
gehorsamstes Maß geben, die gnädige Ver Ordnung tun 
lassen, daß das Verbot kassiert werde. Zu gnädigster 
Gewährungsresolution wir uns in Untertänigkeit ge¬ 
horsamst empfehlen.66 
Weitere Nachrichten hierüber fehlen; es ist aber 
anzunehmen, daß die Synagoge bestehen blieb. 
Die oben erwähnten Häuser blieben mit Ausnahme 
des eingegangenen Abrahamhäusels in jüdischen 
Händen. 1710 verkauft Affrom Lembi von Nr, 67 
seinen Zukauf am Galgenberg, wie er ihn von Georg 
Kaspar von Wiedersperg erkauft, um 40 fl. 1713 be¬ 
sitzt Osar Jud von Nr. 107 zwei Strich Feld; 1722 
heißt es: „Weil aber die Juden nicht fähig sind, 
untertänige Gründe zu besitzen, ist das Feld den Chri¬ 
sten zu überlassen. Der Pilsner Kreiskommissär solle 
es den Juden abnehmen und was billig ist, dafür in 
Empfang nehmen.'6 
1642 dürfte der jüdische Friedhof, am Rücken des 
Schafberges am Nordrande eines Wäldchens gelegen, 
entstanden sein, da die ältesten Grabsteine (nach den 
Entzifferungen des inzwischen verst. Rb. Ign. Fi¬ 
scher) aus diesem J. stammen. 
1743 hören wir von der jüd. Schule. Isaac 
Scheuer verkauft den halben Teil seines Hauses 
(jetzt Nr. 67) dem Bruder Moyses. „Was die auf die¬ 
ser Hälfte, über welchem die Jüdische Schule gebaut, 
belanget, ist solche die allhiesige J. G. in baulichen 
Würthen zu halten, auch ivofern Käufer ob solchener 
Schule in seinem Gebäud einen Schaden erleiden 
sollte, denselben zu ersetzen; dagegen wird auch 
Käufer und die nachkommenden Prof essores den 
sämtlichen Juden den freien Zu-, Ein- und Ausgang zu 
gestatten gehalten sein.66 Diese jüd. Schule war natür¬ 
lich keine Schule, sondern die 1663 und 1669 er¬ 
wähnte Betkammer oder Synagoge. 
Bei der im J. 1770 vorgenommenen Nummerie- 
rung aller Häuser zählte man 8 Judenhäuser. 
1747 gab es acht Judenhäuser mit 14 Familien und 
49 Bewohnern. 1832 waren mit Wasserau 154 Juden, 
1837 in M. allein 110, 1893 noch 90, 1776 verkauft 
die Herrschaft die ödstehende Branntweinbrennerei 
dem Abraham L ö b 1 um 30 fl. Im J. 1798 verkauft 
Barbara E h r m a n n der Muttersdorf er jüd. Ge¬ 
meinde einen Stadl, welcher gemäß obrigkeitlichen 
Dekretes vom Schloß Wilkischén 10. Oktober 1793 
zu einer Wohnung für den jüd. Schullehrer bestimmt 
ist. Zuvor hat die jüd. Gemeinde vom Kreisamt die 
Erlaubnis auszuweisen, ein jüd. Schulhaus errichten 
zu dürfen. Im Grundbuche ist das Eigentum erst 
1850 eingetragen. 
Die Juden standen unter dem Schutze der Herr¬ 
schaft und hatten deshalb ein bedeutendes Schutz¬ 
geld zu zahlen. 1788 leistete Samuel Jacob Nr. 69 
13 fl., Isak Antschl Nr. 68, 8 fl., Husl Bermund Nr. 67, 
3 fl., Abraham Löbl Nr. 67, 8 fl., Michl Selig Nr. 105, 
8 fl. Ezechiel Löwe Nr. 107, 12 fl., Simon Moyses 
Nr. 104, 8 fl. 30 kr., Israel Samuel Nr. 96, 8 fl. Ja¬ 
kob Isak Nr. 66, 6 fl., zusammen 74 fl. 30 kr. Außer¬ 
dem hatte die J. G. 24 fl. Fleischbankzins zu leisten, 
die Besitzer von Häusern 9 kr. 3 Pf. Zins. 
1792 beginnt die Matrikenführung der Muttersdor- 
fer J. G. Amtlicher Matrikenführer war seit dem 
J. 1886 nicht der Rb., weil diese so oft wechselten, 
sondern der Kaufmann Eduard Fischer. 
Die früheren Weißensulzer Matriken erlie- 
Mutënin 1 
405 
Muttersdorf 1
	        
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