Geschichte der Juden in Lobositz.
Bearbeitet von
Dr. Friedrich Lederer, Lobositz.
LJie älteste uns zugängliche und verläßliche Quelle
über die Geschichte der Juden in Lobositz (c. Lovo-
sice) sind die beiden noch heute beim Bezirksgerichte
L. in Verwahrung befindlichen, ausdrücklich als „Ju¬
dengrundbuch" bezeichneten Lederbände, deren ur¬
sprüngliche Bestimmung allerdings nicht die eines
Grundbuches im heutigen Sinne war, sondern die der
strengen Evidenz über die richtige Abfuhr jener Ab¬
gaben dienen sollten, welche von den jüdischen An¬
siedlern an die Herrschaft für die Überlassung der
Baugründe in dem noch heute inoffiziell als „Juden-
sladt66 bezeichneten Stadtteil zu zahlen waren.
Diese Judenstadt, um den jetzt amtlich als „Brun¬
nenplatzbezeichneten, mit einem öffentlichen Brun¬
nen versehenen, etwas abschüssigen Platz gruppiert,
besteht aus 17 ailten Häusern, die sich von den übri¬
gen Stadthäusern nicht nur durch ihre altertümliche
Bauweise, sondern auch heute noch durch die offi¬
zielle Bezeichnung im jetzigen Grundbuche als „Ju-
denhaus" und die Numerierung mit den römischen
Ziffern I—XVII unterscheiden, liegt unmittelbar ge¬
genüber dem städtischen Rathause und nur durch die
zur Elbe führende Überfuhrstraße von dem der
Herrschaft Schwarzenberg gehörigen, mitten in der
Stadt gelegenen Meierhof getrennt. Zum Marktplatz
zu wird sie begrenzt durch das große, der Firma M.
Gläßner & Söhne gehörige zweiflügelige Haus, nach
unten gegen den Modelbach durch die jetzt still¬
gelegte Lederfabrik der Firma Paul Müller. An der
unteren östlichen Ecke dieses Stadtteiles und an der
Überfuhrstraße befindet sich die Synagoge, ein vier¬
eckiger, fast freistehender Bau ohne architektonische
Besonderheiten; an der westlichen Seite steht das der
K. G. gehörige einstöckige Haus mit einer Winterbet¬
stube und der Wohnung für Rabbiner und Gemeinde¬
diener. Die Synagoge besteht etwa 200 Jahre, ein be¬
stimmtes Jahr ihrer Entstehung ist weder im Juden-
grundbuche noch sonstwo angeführt. Um 1800 wurde
sie nach einem Brande wieder hergestellt und kurz vor
dem Kriege 1914-—1918 im Innern und etwa 1924
auch von außen renoviert.
Nach der mündlichen Überlieferung solí die hiesige
Judenansiedlung dadurch entstanden sein, daß die aus
der nachbarlichen Bischofstadt Leitmeritz ver¬
triebenen dortigen Juden mit zwei Torarollen und
ihren Tempelgeräten sich nach L. wandten und hier
ansiedelten. Eine quellenmäßige Bestätigung dieses
Berichtes war aber nicht zu finden.
Im Grundbuche I ist bloß angegeben, daß die „Ju-
den-Schuel66 (wahrscheinlich der Baugrund) am 12.
März 1704 von der Herrschaft um 55 Gulden „der Lo-
bositzer Judenschaft vor Ihrer Gemeinde" verkauft
wurde.
Einige von den seinerzeitigen Judenhäusern sind
heute unbewohnt und werden als Magazine verwen¬
det, einige andere enthalten Arbeiterwohnungen.
Das Register zum Judengrundbuoh I führt den Titel:
Register deren in diesem neu ausgerichtem Grundt
Buch beschriebenen Juden Häuszern 6 und enthält die
folgenden ursprünglichen Eintragungen der Haus¬
nummern, der ersten Hauserwerber und der Folien in
diesem Buche:
„3&uu> 1702
1 Qoaáúm (Salamon
goL: 1
2 ©ineriti) (Salomon
12
3 ®aotb Salomon
23
4 (Sara (Sájmutin SBittib
33
5 üftoe
44
G ®aotb SDÎotjfeê
55
7 Senbij,(Salomon
66
8 $acob Seit
77
9 (Simon $ofe;pí)
88
10 $ie $nben (Segnet
100.
Die späteren Eintragungen werden im folgenden
Berichte berücksichtigt.
Die Kauf- und H aus vor Schreibungen" über die
ursprünglichen neun Judenhäuser stammen durch¬
wegs aus dem J. 1702 und weisen fast immer den glei¬
chen Text auf, weshalb hier nur der erste im Auszuge
angeführt sei:
„Kauf- und Hausvorschreibung des Juden Joachim
Salomon zu Lowoszitz betreffend
Der Vertrag ist datiert vom 23. Feb er 1702, der
Kaufpreis beträgt 220 fl. und sollte an die Herr¬
schaft, vertreten durch den „fürstlich Marggraf Baa-
disschen vormundschaftlichen Kammer Rath und
Oberbeambten Titl. Herrn Franz Antoni Pauern und
des fürstlichen Rendtmeisters Herrn Heinrich Max
Novotni" bezahlt und die Zahlungen in dieses Buch
eingetragen werden, „wobey noch zu be¬
merken kommet, dass wenn über Kurz oder Lang,
einer von seinen Söhnen oder Töchtermännern solches
Haus uieder käuflich annehmen und besitzen wollte,
solches durch eine neue Vor Schreibung eingetragen
und Bekräfftiget, auch das Hausz Beständig in gutem
wesentlichem Bau erhalten werden müsse.6'
Dieses Haus Nr. I ging 1734 an den jüngsten Sohn
Salomon Joachim, von diesem 1734 an dessen Bruder
Benedict (Benedix) Salomon über, der den Vorderteil
in der Wohnung, Gewölb und was er sich sonst nicht
ausdrücklich vorbehalten hat, „seiner einzigen
Schnur Röszel" überließ, „welche seinen Sohn Joseph
Benedix geheyrathet hat". Nach Benedict Salomon
übernahm dessen Sohn Joseph Benedict den hintern
Hausteil 1762, „sodaß er bei einstiger Anforderung
seines Bruders Abrahams Anteil, dermahlen in Am¬
sterdam, in Richtigkeit bringen und ihm damit (?)
contendieren solle".
Auf dieses Haus bezieht sich weiter ein Kontrakt
zwischen Aron Löwi, hochfürstlichem Schutzjuden
aus W e 1 e m i n, und Josef Benedix (oder Launer),
fürstlichem Schutzjuden aus L., über ein Darlehen von
700 fl., geschehen in d. (?) Leipa bei dem Landes-De-
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