Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

in die Stadt gelassen. Die Juden anderseits wußten 
sich durch Hausierpässe und andere Bewilligungen 
zu schützen, wohnten überhaupt oft gänzlich mit 
Weib und Kindern, von welchen sie in ihrem Handel 
ebenfalls unterstützt wurden, in der Stadlt, trotzdem 
die Behörde auch ihren christlichen Untertanen bei 
strenger Strafe wiederholt verbot, Juden ständige 
Wohnungen oder Magazine zu vermieten, und legten 
sich reichhaltige Warenlager an. Später wußten 
manche durch ärztliche Zeugnisse die Erlaubnis zu 
erlangen, daß sie auch während des Winters in K. 
bleiben durften, aber immer wieder kam es zu An¬ 
zeigen, Untersuchungen und wiederholten gewalt¬ 
samen Abschiebungen der Betroffenen nach L. und 
zu Bestrafungen von Juden und Christen. So ging 
der Krieg von 1791 bis 1855 mit wechselndem Er¬ 
folg weiter, endete aber schließlich doch mit dem 
vollen Sieg der Juden, welchen schon 1848 und nach 
einer kurzen Reaktion (von 1853 bis 1855) seit 1856 
die uneingeschränkte Erlaubnis gewährt wurde, in 
K. zu wohnen. 
Der erste Lichtenstädter Jude, der in K. erwähnt 
wird, ist der Jude Mose h, der schon 1610 mit der 
Witwe des Hanuß Siegurd einen Geldvergleich schloß. 
Im Mai 1764 überreichte der Jude Nathan aus L. im 
Namen aller die Bitte, dien Juden „das Hausieren¬ 
gehen mit unverdruckten Waren6 zu gestatten, was 
gegen Zahlung des Marktgeldes bewilligt wurde. Am 
7. März 1791 wurde die erste Eingabe des Bürger¬ 
ausschusses von K. an den Magistrat gerichtet, der 
sich gegen die immer stärker fühlbar werdende Kon¬ 
kurrenz der Juden wendete. Am 10. Jänner 1800 
wurden über eine neue Anzeige in einer Sitzung des 
Stadtrates christliche Bürger der Stadt vorgerufen 
und verhört, bei denen Juden wohnten. Es waren 
schon 10 Familien und Einzelpersonen, nämlich Jo¬ 
sef Moser, Rosenbaum, Salomon Herzlieb, später im¬ 
mer Benedikt genannt, die Lämlin, Schneider, ein 
zweiter Moser, Wolf Moisés, die alte Lederin, Josef 
Teller und der Lederer Götzl, deren Hausherren 
freilich alle angaben, daß ihre Mieter nur vorüber¬ 
gehend bei ihnen seien. Schon mindestens 1784 gab 
es zur Kurzeit in K. einen Garküchler für die fromme 
Judenschaft, den Lichtenstädter Schutzjuden Josef 
Lazar; 1799 waren bereits 3 jüdische Gastwirte 
vorhanden, Herzlieb, Schneider und Moser, während 
Josef Moser und Rosenbaum im Sommer einen Ver¬ 
kaufsladen auf der „Wiese" betrieben. Am 6. Mai 
1795 schrieb Seligmann Bondi, Bezirkssteuerein¬ 
nehmer in L., es möge der Judith Herzliebin die ihr 
eingestellte Trakteursführung für jüdische Badegäste 
wieder gestattet werden. Dies wurde ihr nach langer 
Verhandlung bewilligt, aber sie durfte weder ihren 
Vater Simon, noch ihren Verlobten (oder eigentlich 
ihren Mann, mit dem sie nur rituell getraut war) 
David Moser in ihre Wohnung aufnehmen. Da¬ 
mals mischte sich auch der Kreisrabbiner I s a i a s 
Lewi mit einem aus Falkenau datierten Schreiben 
in die Sache. 1805 ersuchte Herr Benedikt aus L. 
vergebens um die gleiche Erlaubnis. 1806 wurde, ver¬ 
gebens, beschlossen, den Juden im Winter nur an 
den ersten direi Tagen jeder Woche das Hausieren in 
der Stadt zu gestatten. Im Jahre 1814 wurde festge¬ 
stellt, daß 15 Lichtenstädter ständig in K. wohnten: 
Rachl Roßenbaum, Rachl Löwenstein, Juda Eckstein, 
Salomon Benedikt, Löwi Teller, Israel Ulmann, Mar¬ 
kus Maier, Joachim Bleier, Josef Moßer, die alte 
Lederin, die alte Herzl, Simon Strauß, Benjamin Le¬ 
derer, die Witwe Löwenstein und David Moßer. 
Trotzdem alle damals den strengsten Befehl erhiel¬ 
ten, binnen 3 Tagen wegzuziehen, waren 3 Jahre 
später doch wieder 15 jüdische Hausbesitzer aus L. 
ununterbrochen in K., darunter neu Salomon Fi¬ 
scher, Josef Lederer, Salomon Mayer, Kaiman Elm¬ 
stein, Moses Löwenstein, Jakob Rosenbaum, Josef 
Rosenbaum, Aron Löwenstein, Joachim Lederer; von 
vielleicht 30 jüdischen Bewohnern der Kurstadt war 
im ganzen ungefähr die Hälfte aus L. Als man ihnen 
die Erlaubnis, in der Kurzeit zu hausieren, um 1 Mo¬ 
nat verkürzen wollte, wehrten sich die Juden sofort 
und 5 Lichtenstädter beriefen mit Erfolg gegen die 
Verfügung (1824). Im Jahre 1825 wurde ermittelt, 
daß Sibylla Mayer, Joachim Pleier, Rebekka Teller, 
Markus Mayer, Low Beer, Rachl Benedikt, Moisés 
Löwenstein und Rachl Rosenbaum, obwohl als ein¬ 
fache Hausierer dazu nicht berechtigt, offene Ge¬ 
wölbe gemietet hätten; es wurde ihnen verboten, 
ihre dagegen eingebrachte Berufung natürlich ver¬ 
worfen. Nur Joachim Schwalb, der Kaufmann 
war, durfte seinen Laden beibehalten. Im Jahre 1829 
fanden sich 23 jüdische Familien als ständige Be¬ 
wohner der Stadt, wovon einige schon nach ihrer 
Aussage an 30 Jahre ununterbrochen anwesend waren. 
Aber erst 1830 wurde es dem Traiteur David 
Moser wirklich von der Obrigkeit gestattet, mit 
seiner Familie auch während der Wintermonate in K. 
zu verbleiben. Wieder gab es Denunziationen 1831, 
diesmal unter Hinweis darauf, daß durch die Juden 
sehr leicht die Cholera eingeschleppt werden könnte. 
Die abermalige Ausweisung wurde beschlossen, Ge¬ 
suche einzelner um Erlaubnis, fortwährend in K. zu 
bleiben, wie des Low Teller, des Gerbers Simon Be¬ 
nedikt, wurden abgelehnt. 1833 finden sich in der 
Stadt der Traiteur Lederer, der Lederhändler Moritz 
Rosenfeld, die Familie Beer, sowie 34 andere jüdi¬ 
sche Familien, die sich durch ärztliche Zeugnisse den 
längeren Aufenthalt zu erwirken wußten; 1834 waren 
es 30 Familien und im nächsten Jahr wurde amtlich 
festgestellt, daß Salomon Benedikt mehr als 30 Jahre, 
Markus Rosenfeld 20, Low Beer 12, Salomon Mayer 
über 10, andere 5, 4, 2 Jahre hier wohnten. Im Jahre 
1838 wohnten bereits 71 jüdische Familien außer der 
Kurzeit in K. Als 1838 Josef Lederer ein Gewölbe 
mieten wollte, wurde ihm dies verboten und er mußte 
es durch einen Christen mieten lassen. Da man auch 
den Traiteur Lazar Moser ausweisen wollte, konnte 
er sich 1839 mit Erfolg auf sein früheres Privilegium 
berufen, das ihm sein Vater abgetreten hatte. Wäh¬ 
rend all dieser Verwicklungen mußten natürlich die 
in K. wohnenden Lichtenstädter in ihrem Heimatort 
ihre Synagogenbeiträge bezahlen, die in der Regel 
der Karlsbader Magistrat einhob. Erst am 29. August 
1839 erfloß endlich eine Gubernialentscheidung, die 
besagte: „Es bleibt den Juden unbenommen, in Karls¬ 
bad nach Belieben den Handel als Hausierer und nach 
Kaufmannsart zu treiben.66 Die k. k. Hofkammer be¬ 
stätigte diese Entscheidung am 14. August 1840 und 
das Kreisamt mußte ebenfalls zustimmen. Als nach 
dem Aufschwung des J. 1848 wieder auf kurze Zeit 
der Rückschritt siegreich schien, stellte man fest, daß 
inzwischen 8 Häuser in K. von Juden angekauft wor¬ 
den waren, darunter von den Lichtenstädtern Simon 
Benedikt, Siegfried und Elise Rosenfekl, Israel und 
Esther Pick und Georg Bleyer. 1855 wurde wieder 
ein Verzeichnis der anwesenden Israeliten aufgenom¬ 
men, welches u. a. den Wechsler Bernard Scihwalb, 
den Galanteriehändler Moritz Rosenfeld, den Trai¬ 
teur Moser enthält. Unter jenen, welche 1864 um Bil¬ 
dung einer selbständigen K. G. Karlsbad ansuchten, 
waren wieder die Lichtenstädter voran; das Gesuch 
war zuerst von Simon Benedikt, Schwalb, Moser und 
weiter neben anderen Juden noch von einigen Lich- 
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Lichtensfadt 2
	        
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