Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

zu dieser Zeit ein Jud in K. war, welcher den Tabak 
gebracht hatte auf das ganze Königreich Böhmen und 
dadurch zu großem Reichtum gelangte. Sein Weib 
aber der Geistlichkeit sehr geneigt war, daß sie viele 
heilige Messen unter der Hand hat lesen lassen und 
allen Christen sehr geneigt gewesen 64 
Im J. 1767 waren in K. und in Dürrmaul 12 Häu¬ 
ser im Besitze der Juden, in beiden Orten überdies 
noch je ein Gemeindehaus. In K. gab es 32, in Dürr¬ 
maul 18 Judenfamilien, außerdem hatten noch 5 aus¬ 
wärtige Familien in K. ihr Heimatsrecht. Am 8. Sep¬ 
tember desselben Jahres bestätigte und vermehrte 
Graf Sigismund die den Kuttenplaner und Dürrmauler 
Juden von seinem Vorfahren, dem Grafen Ferdinand 
von Kupferwald, Hauptmann des Pilsner Kreises und 
\ormund der minderjährigen Erben Karl und Sigis¬ 
mund, konfirmierte „Schutzobrigkeitliche Concession" 
dergemäß, unter Hinweisung auf die der Judenschaft 
im Königreiche Böhmen von der Kaiserin Maria The¬ 
resia bestätigten Privilegien, denselben „Handel und 
Wandel, Nahrungs- und Gewerbetreiben", vollständig 
freigegeben wurde. Durch dieselbe Konzession wurde 
cien zwei jüdischen Metzgern in K. der freie Ein- und 
Verkauf des Viehes und Fleisches von und an jeder¬ 
mann gestattet und sowohl die Kuttenplaner als auch 
die Dürrmauler Judenhäuser von jeder Militär- 
bequartierung und anderen dergleichen Bürden für 
immer befreit. Weiter wurde den Juden gestattet, „an 
ihren Sabbat- und Feiertagen einige Christen¬ 
menschen, dem alten Herkommen gemäß, gegen ge¬ 
bührlichen und mit den Christen zu vergleichen ha¬ 
benden Lohn, zur Hausarbeit zu nehmen". An Ge¬ 
bühren hatten die Kuttenplaner Juden der Schutz¬ 
obrigkeit jährlich, halb Georgi, halb Galli, zu ent¬ 
richten. Für ein Wohnhaus 10 fl., ein Inwohner 5 fl., 
eine Witwe 45 Kr., ein lediger Sohn von 18 Jahren 
aufwärts 45 Kr., eine ledige Tochter desselben Alters 
30 Kr. Die Dürrmauler Juden zahlten: „nachdem die¬ 
selben in mindern Gewerb und Handel für ihre Häu¬ 
ser bloß 7—8 fl.44 
Für die Synagoge hatten die Kuttenplaner, sowie 
die Dürrmauler Juden jährlich 1 fl. 30 Kr., der Rb. 
1 fl., der Schulsinger 30 Kr. zu zahlen. Das Neujahrs¬ 
geld betrug in K. 9 fl., in Dürrmaul 3 fl. Die Be¬ 
nützung des hinter dem Pitelteich gelegenen Hügels 
als Begräbnisplatz wurde den Kuttenplaner Juden ge¬ 
sichert, wofür sie für einen verstorbenen, verheira¬ 
teten Mann 3 fl., für ein Weib, eine Witwe, eine ledige 
Person, oder ein Kind je 1 fl. 30 Kr. an Begräbnis¬ 
taxen zu entrichten hatten. Dr. Ochser schreibt in 
seiner Arbeit „Der Pinkas der Gemeinde Kuttenplan44: 
„Die Grafen Haimhausen erwiesen sich den Juden 
nicht nur freundlich, sondern als Wohltäter. Der 
Graf Sigismund Haimhausen versicherte sie seines 
obrigkeitlichen Schutzes, gegen jedwede boshafte 
Neckung und ungebührliche Antuung. Die Abnahme 
des Rauchleders der gräflichen Herrschaft wurde 
ihnen freigestellt, und zwar: „Für das Fell von einem 
gestochenen oder verreckten Schaf oder Winter¬ 
hammel 15 Kr., von einem Jährling 8 Kr., von einem 
Lamm nach der Lammung 4 Kr., von einem Winter¬ 
kröpf el oder Blößling IV2 Kr., von einem Sommer- 
blößling die Hälfte.44 Sämtliche Klagen, die von 
christlicher Seite gegen einen Juden vorgebracht 
wurden, sollten der Entscheidung eines Judenrichters 
mit dem Rechte einer: „via recursus44 vorbehalten 
sein. Ein Jude sollte erst dann in den Arrest kommen, 
wenn man vorher dem Grafen über das Vorkommnis 
und das eventuelle Vorgehen Bericht erstattet hatte. 
Die Steuern waren verhältnismäßig nicht hoch und 
daher kam es, daß der Wohlstand der Juden täglich 
wuchs. Auf Anordnung des Grafen wurde auch die 
Judengasse neu angelegt und bildet noch jetzt die 
Hauptstraße nach Marienbad.44 Hingegen beurteilt 
Prof. Kaiser, ein Kuttenplaner, in einer diesbezügli¬ 
chen Veröffentlichung, diese Abgaben als egoistisch. 
Aus dem herrschaftlichen Branntweinhause waren die 
Kuttenplaner Juden jährlich zur Abnahme von 400, 
die Dürrmauler von 200 böhmischen Seideln Brannt¬ 
weines verpflichtet. Von jedem Eimer „Koscherwein44 
hatten sie der Herrschaft 30 Kr. Nutzungsgebühr zu 
erlegen. Sehr wichtig waren die Bestimmungen der 
Artikel 12 und 13 dieser Konzession, deren Original¬ 
urkunden sich im Archiv der K. G. Kuttenplan be¬ 
finden dürften. Eduard Senft berichtet in seiner 1876 
erschienenen Geschichte der Herrschaft und Stadt Plan, 
daß sich die Originalurkunden gegenwärtig in Ver¬ 
wahrung des Herrn Wilhelm Löwenstein, des damali¬ 
gen Vorstandes der Kuttenplaner K. G., befinden. 
Die erwähnten Artikel lauten wörtlich: „Art. 12. 
Gleichwie überhaupt einer jeden Obrig- und Gerichts¬ 
barkeit teuerste Pflicht ist, Jedermann ohne alle 
Rücksicht auf die Person, er seie Jud oder Christ, 
die heilsame Gerichtigkeit mit gleicher Waage zu ad¬ 
ministrieren, als auch meiner ernstlichen Will und 
Meinung dahin gehet, daß von meinen Beamten so¬ 
wohl als auf den Dorfschaften angestellten Richtern 
der Judenschaft wie auch der Christen in billigen 
Sachen auf jedesmaliges Anlangen alle gerechtsame 
schleunige Hilfe und Assistenz gegen die einfache 
Tax der nehmlichen Amt- oder Gerichtgebühr, 
welche ein Christ im gleichen Falle zu entrichten 
schuldig, unter schwerer Ahndung geleistet werden 
solle; wobei jedoch dieses wohl zu beobachten, daß 
dafern Jud wider Jud, oder Christ wider Jud recht¬ 
liche Klage an zustellen hätte, vermög uralten Her¬ 
kommens dieselbe für der sonst an dem bei der J. G. 
in Kuttenplan oder Dürrmaul angestellten jüdischen 
Richter anzubringen und daselbst rechtlicher Bescheid 
oder Spruch abzuwarten seie, jedoch mit dieser aus¬ 
drücklichen Ausnahme, daß jedesmal dem durch des 
jüdischen Gemeinderichters geschöpften Erkenntnis 
graviert zu sein, sich erachtenden Teil frei stehen 
solle, seine Klage neuerdings via recursus an das 
hochgräfliche Amt zum abermaligen Erörter- und 
Entscheidung devolvieren zu können. 
Art. 13. Sollten meinen oder meinen Erben und 
Successoren Beamten niemals erlaubt sein, in meiner 
Anwesenheit einen ansässigen oder behausten Juden 
die Criminal und Malefiz, dann diejenigen Fälle .allein 
ausgenommen, wo propter periculum in mora eine 
schleunige Versicher- und Handfestmachung der Per¬ 
son erforderlich für sich allein und nach ihrem arbi¬ 
trio in Arrest oder Gefängnis zu nehmen, sondern 
von Zeit zu Zeit über jeden Fall, wo in Zivilsachen 
ein ansässiger Jud mit wirklichem Arrest zu belegen 
wäre, nur einen umständlichen der Sache Bericht ab¬ 
zustatten und hiernächst meine darüber schöpfende 
gnädige Resolution einzugewärtigen haben werden.44 
Die Schlußbestimmung verpflichtet alle Nachfolger 
des Grafen im Besitz der Herrschaft Kuttenplan zur 
Aufrechterhaltung dieser Konzession für immerwäh¬ 
rende Zeiten. 
Nach innen behielt die Gemeinde ihre Organisation 
von Plan aus bei. Gleich nach ihrer Ansiedlung 
in Kuttenplan bestellten sie Abraham Broda zum 
Rabbiner, der aber nur drei Jahre daselbst verblieb. 
Abraham ben Saul Broda, um 1 6 4 0 in Bunzlau ge¬ 
boren, wurde schon in früher Jugend von seinem 
Vater auf die Talmudschule des Zeeb Charif nach 
Krakau geschickt, wo er bis zur Erlangung des Rabbi- 
natsdiploms verblieb. Er bekleidete die Stelle eines 
Rb. zunächst in Lichtenstadt, dann in Raudnitz und 
in Kuttenplan, von wo aus er 1 6 9 3 nach Prag be- 
Chodová Pland 2 
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Kuttenplan 2
	        
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