Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Königsberg a. d. E. 
Bearbeitet von 
Karl Leder er, Königsberg a. d. E. 
Mit dem Gründungs jähre der Stadt Königsberg 
(c. Kynsperk) (1232) beginnt auch die Geschichte der 
Königsberger Judenschaft. Daß sich die Juden schon 
damals in K. angesiedelt haben, ist nicht anzunehmen, 
sicher aber sind sie schon in der Folgezeit Geschäfte 
halber hierher gekommen; war doch K. ein mit dem 
Marktrechte ausgestatteter Ort. Die ersten Juden- 
ansiedlungen gab es hier wohl schon im 14. Jht., denn 
als in Eger im J. 1350 ein Judenpogrom ausbrach, 
haben wohl viele Juden hier Zuflucht gesucht und ge¬ 
funden. Es wird uns auch berichtet (Pröckl), daß in 
Eger ermordete Juden in K. begraben wurden, woraus 
ebenfalls zu schließen wäre, daß hier schon damals 
eine Judengemeinde bestand. Ob der jetzt bestehende 
Friedhof in das 14. Jht. zurückreicht, ist noch unge¬ 
klärt. Vor einigen Jahrzehnten stand noch im gegen¬ 
wärtigen Friedhof ein eisernes Grabmal, das der Über¬ 
lieferung nach einem gewissen Isolani gewidmet 
war, der bei dem Egerer Pogrom 1350 um das Leben 
kam. Ist dies richtig, so müßte der Friedhof tatsäch¬ 
lich aus dem 14. Jht. stammen. Dies ist aber zu be¬ 
zweifeln, weil noch im 16. Jht. am Schloßberge ein 
bewohntes Schloß stand, in dessen Bereich doch kein 
Friedhof liegen konnte. Der Wall, der sich heute noch 
durch den Friedhof zieht, beweist, daß der Friedhof 
erst angelegt werden konnte, nachdem die Königs¬ 
berger Feste schon in Verfall geraten war. Der älteste 
Grabstein stammt aus dem J. 1605, folglich müssen 
wir annehmen, daß der ältere Friedhof, der für das 
16. Jht. urkundlich nachgewiesen ist, an einer anderen 
Stelle lag. Im J. 1570 (Bondy-Dworsky) waren in K. 
nach einem allerdings unvollständigen Verzeichnis 
6V2, Leibiisch 5, Katzengrün 6, Hör sin 2, Kulm 2 und 
Falkenau 1V2 Juden-Familien zur Zahlung der Türken¬ 
steuer verzeichnet. Diese genannten Städte und Dörfer 
haben wahrscheinlich ihre Toten in K. beerdigt. König 
Rudolf II. befiehlt der Stadt Elbogen diejenigen Ju¬ 
den, die von alters her auf der Herrschaft Elbogen 
(s. a. a. 0.) und K. angesiedelt sind, auch künftighin 
zu dulden. An Hans Popp, den damaligen Herrschafts¬ 
besitzer, wandten sich die Ältesten der Prager Juden¬ 
gemeinde im J. 1599 um Schutz für ihre Königsberger 
Gemeinde, denen die Königsberger Gemeinde bei Be¬ 
gräbnissen Hindernisse bereitete (Bondy-Dworsky). 
Schon aus der ersten Hälfte des 16. Jhts. werden in 
den Akten des Egerer Stadtarchivs Königsberger Ju¬ 
den genannt, unter anderen im J. 1519 ein Jude na¬ 
mens Mennel (dabei wollen wir bemerken, daß das 
Stadtarchiv Eger Urkunden, die sich auf Königsberger 
Juden beziehen, schon a. d. J. 1510 besitzt. Im glei¬ 
chen Archiv finden wir: „Der Hauptmann Jörg von 
Perglas ersucht im Jahre 1519 den Egerer Stadtrat, 
die Königsberger Juden in die Stadt Eger hinein zu 
lassen;66 nochmals finden wir im J. 1582 im Egerer 
Stadtarchiv: „Wolf Zeydelhardt, Richter zu Königs¬ 
berg. ersucht: ,Die Königsberger Juden, welche 6 seint9 
in die Stadt einzulassen " Im Manuale der Stadt K., 
Seite 76, findet sich ein Schreiben v. J. 1595, in wel¬ 
chem isich unter anderem Bürgermeister und Rat be¬ 
schweren, „daß sie von den Juden ausgesauget wur¬ 
den6. Im gleichen Buche, S. 57, finden wir im Kauf- 
kontrakte (Bellwitz v. Nostwitz der Ältere) betreffs 
Zahlung, daß auch die Juden zu den 22 fl. 30 kr. 
meißn. zu den jährlichen Zinsen mit beizutragen 
haben. Aus diesem Jht. werde wohl auch ein Teil der 
Tempelsilbergeräte sowie der Tempelvorhänge stam¬ 
men. Für das J. 1618 werden uns 6 Judenfamilien 
bezeugt: Samuel oder Schmul, Joel Götz, 
Aron, Moisés Scheu, Nathan und Israel. 
(Archiv des Min. des Innern in Prag.) In der Steuer¬ 
rolle v. J. 1654 finden wir abermals einen Joel Judt, 
Götz genannt, 47 Jahre alt, der zwei Söhne besitzt, 
weiter einen Israel Bondi als Hausgenossen hat. 
Er besaß einen halben Hof, hatte Pferde und Kühe. 
Weiterhin war in K. beheimatet ein Schimmel Judt 
und Elias Judt, die ebenfalls Landwirtschaft hatten. 
Ob die Juden selbst die Felder bestellt haben, ist zwei¬ 
felhaft, nachdem sie höchstwahrscheinlich mit ihren 
Handelsgeschäften als Heereslieferanten beschäftigt 
waren. Joel spielt in der Geschichte von K. der Über¬ 
lieferung nach eine hervorragende Rolle, nach der es 
heißt: Die Schweden hatten K. belagert und forderten 
eine hohe Brandschatzung. Die Bürger vermochten 
die hohe Summe nicht aufzubringen und wandten sich 
deshalb an den reichen Juden Joel. Dieser stellte sein 
Hab und Gut zur Verfügung, mit dem volkstümlich 
gewordenen Ausspruch: „Dem Feinde muß man gol¬ 
dene Brücken bauen 66 Von diesem Juden Joel wird 
uns auch glaubwürdig berichtet (Manuale, S. 47), daß 
er auf einer öden Brandstätte das nachmalige Burg¬ 
grafenhaus erbaut hat. In der Steuerrolle v. J. 1654 
wird auch bemerkt, daß ein Alexander Schandak von 
Falkenau nach K. in ein neuerbautes Haus übersiedeln 
wird, das vorher ein Judenhaus gewesen ist. Im 
Egerer Stadtarchiv findet sich im J. 1661 nochmals 
ein Ansuchen, diesmal von Mathias Auroldt, Haupt¬ 
mann zu K., die Königsberger Juden wieder in die 
Stadt Eger einzulassen. Im J. 1685 wird die Juden¬ 
gasse schon urkundlich erwähnt. Bei dem Stadtbrande 
im J. 1706 soll der Rabbiner dem Feuer dadurch Ein¬ 
halt geboten haben, daß er über die Haustüre eines 
gefährdeten Hauses einen Kreis zog, einen Laib Brot 
in die Flammen warf und den Feuersegen sprach. Das 
Feuer soll sich auch tatsächlich an dieser Stelle ge¬ 
brochen haben. 
Als sich im J. 1707 ein neuer Jude in K. nieder¬ 
lassen wollte, hatte der Großmeister des Kreuziherrn- 
ordens dagegen Einspruch erhoben, so daß der Herr- 
schaftsbesitzer Metternich versprach, diesen Juden 
einen anderen Wohnsitz anzuweisen. In den Jahren 
1718 bis 1720 werden von den Juden Schlumpe, Simon 
Jacob, Löb'l Hirschl verschiedene Steuern gezahlt. Auf 
Veranlassung deis Pfarrers Kaspar Dietsch wurde die 
kreisämtliche Verordnung vom 24. Juni 1723 in das 
Kynsperk n.¡0. 1 
314 
Königsberg 1
	        
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