Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Karlsbad. 
Im Jahre 1499 erteilte König Wladislaus der Stadt 
Karlsbad (c. Karlovy Vary) ein Privilegium und in 
demselben das Recht, Juden in Karlsbad aufzunehmen, 
oder denselben die Aufnahme zu verweigern. „Und 
thun wir den von Kaiser Karolspad die viinder Gnad. 
wollen das nun für an dieweyl ivir sy unrnögend und 
arm wissen, weder von uns unseren nachhumben noch 
Ihren Pfandesherrn ein noch kein Jude, zu ir stat und 
voonung gesetzt." So lautet der auf die Juden sich 
beziehende Punkt des immer von neuem bestätigten 
Privilegiums in dem Dokument, das allerdings nur in 
späterer aber beglaubigter Abschrift aus der Zeit 
Maria Theresias im Archiv der Stadt K. erliegt. 
Ob der Judenpassus des Privilegiums eine typische 
Formel aller Städteprivilegien jener Zeiten war, oder 
eine Vorsichtsmaßregel, die von den Karlsbadern ge¬ 
troffen wurde, da sie ja Kunde hatten von der zwei 
Jahre vorher erfolgten Vertreibung der Juden aus dem 
benachbarten Eger, läßt sich nicht sagen. Ebenso¬ 
wenig darf aus dem Passus geschlossen werden, daß 
dazumal Juden in K. ständig gewohnt hätten. Tat¬ 
sache ist nur, daß die Karlsbader seit dem J. 1499 
ihr Privilegium von jedem Herrscher sich neu bestäti¬ 
gen ließen und allezeit mit größter Strenge auf seine 
strikte Einhaltung sahen. 
So beherbergte denn K. seit 1499 dauernd keinen 
Juden. Unbekannt blieben aber Juden den Karls¬ 
badern nicht. Wann K. die ersten jüdischen Kurgäste 
zu verzeichnen hat, läßt sich nicht ermitteln. Die 
erste uns erhaltene Kurliste stammt aus dem J. 1737. 
Das Stadtarchiv in K. besitzt außer dieser ältesten 
geschriebenen Liste mehrere vom J. 1758 aufwärts. 
Doch sind in diesen Listen keine Juden aufge¬ 
nommen. Es ist aber anzunehmen, daß hie und da 
auch Juden in jener Zeit nach K. zur Kur kamen, 
Prager oder Wiener reiche Juden. Werden doch schon 
1607 die Bürger vom Magistrat vermahnt, sich mit 
dem Beherbergen Fremder, sonderlich der Prageri- 
schen Juden vorzusehen. Doch hatten die Karlsbader 
auch sonst Gelegenheit genug, mit Juden näher be¬ 
kannt zu werden. Die größeren Ortschaften der nä¬ 
heren und weiteren Umgebung K. hatten alle alte 
Judengemeinden, von denen die in Lichtenstadt 
die größte und weitbekannteste war. (Vgl. Gesch. d. 
Juden in Lichtenstadt.) Die Juden dieser Gemeinden 
gravitierten alle mehr oder weniger nach K. und stan¬ 
den mit der Karlsbader Bevölkerung in geschäftlichem 
Verkehr. In erster Linie sind es die Lichten- 
Städter Juden, die von alters her in K. ihre klei¬ 
nen Geld- und Hausiergeschäfte betrieben. (Vgl. 
a. a. O.) 
Die Lichtenstädter Juden waren, wie das unter den 
damaligen Verhältnissen nicht anders möglich war, 
fast ausnahmslos Hausierer. Als solche waren sie 
selbstverständlich allen Gesetzen unterworfen, die be¬ 
züglich des Hausierhandels jeweils erlassen wurden. 
Als jedoch das Städtewesen aufzublühen begann, die 
Bürger Handelsleute wurden, entstand naturgemäß 
Antagonismus und Feindseligkeit zwischen den städti¬ 
schen Handelsleuten und den herumziehenden Hau¬ 
sierern. Die Städte suchten unermüdlich an um Ein¬ 
schränkung des Hausierhandels und erschwerten, so¬ 
weit sie nur konnten, den Hausierern den an und 
für sich schweren Erwerb. In den verschiedenen Pe¬ 
titionen werden die Hausierer — nicht etwa die jüdi¬ 
schen allein — des Schmuggelhandels bezichtigt, der 
unlauteren Manipulierung, der Hehlerei und ähnli¬ 
cher Dinge. Infolgedessen wurden immer von neuem 
Hausierverbote erlassen, die jedoch binnen kurzem 
immer wieder kraft der Ulientbehrlichkeit des Hau¬ 
sierhandels aufgehoben wurden. 
Wie nicht anders zu erwarten, achteten auch die 
Karlsbader mit großem Eifer darauf, daß ihnen die 
Hausierer, namentlich die jüdischen, nicht zu sehr 
in den Weg treten und sich ja nicht mehr arrogieren, 
als ihnen gesetzmäßig zukam. Nur war die Lage in K. 
wesentlich komplizierter als in anderen Städten. Auf 
der einen Seite hatte die Stadt ihr Privilegium, Juden 
den dauernden Aufenthalt verweigern zu dürfen; da 
hieß es nur das Wörtchen „dauernd'6 richtig zu inter¬ 
pretieren. Auf der anderen Seite galt die Kursaison, 
also die Zeit vom 1. Mai bis 30. September, gesetzlich 
als Jahrmarktzeit. Den Juden war daher volle fünf 
Monate hindurch der Aufenthalt gesetzlich gestattet. 
Das Privilegium öffnete den Schikanen Tür und Tor, 
der Jahrmarkt gab wieder den jüdischen Hausierern, 
wie den anderen auch, erweiterte Rechte. Diese Ge¬ 
gensätze brachten ewige Reibereien mit sich. Die 
Lichtenstädter Juden, die sich den Sommer über in 
K. sehr wohl fühlten, konnten es nicht verschmerzen, 
Ende September ihre Zelte wieder abbrechen und 
nach Lichtenstadt zurückkehren zu müssen. Die Karls 
bader Handeltreibenden wieder, die mit schwer ver¬ 
haltenem Ingrimm die jüdischen Hausierer und Ge¬ 
schäftsleute bei sich dulden mußten, sehnten den 
1. Oktober herbei, der sie wenigstens für ein halbes 
Jahr von diesen schweren Konkurrenten befreite. 
Die einen wollten nicht weg, die anderen drangen 
auf Verlassen der Stadt. Von diesem Kampf erzählen 
uns die meisten vorhandenen Dokumente. (Vgl. 
Ziegler, Dokumente.) 
In den Jahren 1791—1821 scheint der Kampf der 
Karlsbader Handelsleute gegen das Eindringen der 
jüdischen Konkurrenz geruht zu haben. Im 3. und 
4. Jhzt. vergangenen Jhts. brach er jedoch mit ver¬ 
doppelter Kraft aus. 
Am 10. Dezember 1821 wird der Magistrat von 
den „hiesigen legitimierten Handelsleuten6 aufge¬ 
fordert, den am 15. Januar 1815 vom Kreisamt be¬ 
stätigten Magistratualbescheid durchzuführen. Der 
Magistrat säumt nicht. Am 11. Dezember 1821 wurde 
auch schon beschlossen, sämtliche in K. wohnende 
Juden und die Hausbesitzer, die ihnen Wohnungen 
vermietet haben, vorzuladen. Am 14. Dezember wurde 
allen Juden und ihren Quartiergebern die diesfällige 
Verordnung mit dem Beisatze vorgelesen, „ihre Waa- 
ren bis zum 20ten d. M. inclusive unter den fest¬ 
gesetzten Strafen von hier wegzutransportieren und 
überhaupt diese Stadt Karlsbad zu räumen46. Im 
Nichtbefolgungsfalle sollen „Ihnen die Waaren kon- 
Karl. Vary 1 
255 
Karlsbad 1
	        
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