Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

eingestellt. Auf wiederholtes Drängen der Oberbe¬ 
hörden ließen sie sich im J. 1651 herbei, einen Zin¬ 
senrückstand von 343 Schock 42 Groschen und 6 
Pfennigen anzuerkennen und darauf eine Abschlags¬ 
zahlung von 100 Schock ehestens zu leisten, beharrten 
aber bei ihrer Weigerung, die seit 1644 aufgelaufenen 
Zinsen abzutragen. Damit waren auch trotz dem Wi¬ 
derspruch der Witwe, die sich um 360 Schock an Zin¬ 
sen geschädigt fühlte, die Kammerräte einverstanden 
und hießen die Saazer Hauptleute in dem Erlaß vom 
27. Juli 1651 lediglich daran sein, daß ihr die ange¬ 
botenen 100 Schock ausgezahlt werden. V on der Rück¬ 
erstattung der Hauptsumme war vorderhand mit kei¬ 
nem Wort die Rede. Ein Enkel dieses Abraham Lang 
war Moisés Abraham Lang J., der 1651 für sich und 
seine Mutter Bella, die Schnur des verstorbenen Abra¬ 
ham Lang J., 4 Raten einer Geldschuld einhob und 
den Restbetrag von 133 Schock 41 Groschen 4 Pfen¬ 
nigen um 50 Schock verkaufte. Ein Sohn eines der 
beiden Eidlitzer Abraham, genannt der junge Jude 
Abraham Eidlitz, verkaufte 1652 eine Forderung von 
] 16 Schock 10 Groschen um 40 Schock. 
Außerdem beschäftigten noch vereinzelt Juden aus 
anderen Orten als Eidlitz das Kaadner Gericht, wieder 
vorwiegend in Geldsachen: Moisés Brandeis J. zu 
Prag, vielleicht eine Person mit dem schon 1588 auf¬ 
tretenden Moisés J. zu Prag, erwirkte 1613 einen 
Statthaltereibefehl an den Kaadner Magistrat, ihm 
zur Auszahlung von 43 Schock 45 Groschen zu ver¬ 
helfen, die er bei einem Kaadner Kürschner stehen 
hatte; 1636 Salomon J. zu Prag, der Schwager des Isak 
Brandeis; 1645 Wolf und Salomon Eidlitz Juden zu 
Prag gehören zu den Erben Isaks d. Ä.; 1632 Joseph 
J. von Görkau und Samuel Schwarz J. zu Prag, der 
wegen einer Forderung von 100 Rohst., die er einem 
Kaadner Kaufmanne zur Beschaffung von Kramwa¬ 
ren geliehen hatte, auf die vorhandenen Waren Be¬ 
schlag legen und das Gewölbe sperren ließ. Dabei 
stellte er Veit Bloch und Isak Brandeis als Bürgen, 
daß er in dieser Angelegenheit Amt und Gericht in 
allem schadlos halten werde. Gegen die Beschlagnah¬ 
me und Sperre protestierte aber der Kaufmann, weil 
nach dem Schuldvertrage die Zeit der Zahlung noch 
nicht gekommen sei, und behielt sich vor, den Sa¬ 
muel Schwarz auf Ersatz des Schadens zu klagen, 
den er durch die Schließung des Gewölbes vor dem 
nahen Crucimarkt erlitten; 1634 Feistl Abraham 
J. von Görkau als Bevollmächtigter der Witwe Judith 
nach Abraham Schwarz; 1649 Simon Mirowsky J. 
von Laun wegen unberechtigten Ankaufs einer Bräu- 
pfanne und endlich 1651 Hirschl Meier J. von Stadt 
Priesen. 
So lebten diese Juden mitten unter den Christen, 
manche jahrzehntelang, und standen mit ihnen in ge¬ 
schäftlichem Verkehr; daß sie, vielleicht von freund¬ 
schaftlichen Verhältnissen unter einzelnen abgesehen, 
einander auch gesellschaftlich naihetraten, war wohl 
nicht der Fall und die Kaadner Juden mögen auch in 
dieser Zeit dieselben Demütigungen und Beschrän¬ 
kungen haben erdulden müssen, wie ihre Glaubens¬ 
genossen anderswo. Wenn sie auch in Tagen der Not 
gut genug waren, aus plötzlicher Verlegenheit zu hel¬ 
fen, wenn man sie auch selbst zur Wiederbevölke¬ 
rung der halbverödeten Stadt herbeirief, das gute Ein¬ 
vernehmen war nicht von langer Dauer und der Wi¬ 
derwille gegen .sie erhob stets von neuem sein Haupt. 
So mußten die Juden abermals im Laufe des J. 1642 
durch die Prager Ältesten bei der Regierung Klage 
führen, daß die Kaadner „sie aus den Häusern und 
der Stadt mit Macht zu vertreiben und wegzuschaffen44 
willens seien. Daraufhin trugen die Statthalter mit 
dem Erlasse vom 22. September 1642 dem Rat der 
Stadt K. auf, mit nächstem zu berichten, auf Grund 
welcher Gerechtigkeit sie die Juden nicht dulden 
wollten; unterdessen sollten diese bis auf weitere 
Verordnung „unperturbierter44 in K. verbleiben und 
des kaiserl. Schutzes genießen dürfen. Sie sollten sich 
jedoch nicht lange dieses Schutzes erfreuen, denn es 
verflossen nicht 8 Jahre, da brachte einer der Ihrigen 
durch eine unselige Tat das zuwege, was der Haß des 
Volkes nicht vermocht hatte, eine Tat, durch die er 
seine Glaubensgenossen aus der Stadt vertrieb und 
ihnen deren Tore zu dauerndem Aufenthalte für Jhte. 
verschloß. 
Diese Tat, welche in der Stadt und weit über ihren 
Umkreis hinaus gewaltiges Aufsehen erregte, die Lan¬ 
desbehörden beschäftigte und selbst des Kaisers Per¬ 
son in Wien nachhaltig ergriff, geschah in dem schon 
erwähnten Hause des Jakob Salomon oder Jäckl J. in 
der Wassergasse, das damals dem Bürger Hans Igl ge¬ 
hörte, in dem Badstübl des Hinterhauses, wo Jäckl 
mit seiner Familie sein Heim hatte. Am 10. März 
1650 war nämlich ein Jude aus Holieschau in Mähren, 
namens Noë, nach K. gekommen und hatte bei Jakob 
Salomon Unterkunft gefunden. Als am Morgen des 
folgenden Tages, da gerade Jäckl nicht daheim weilte 
und auch sein Weib, Wasser zu holen, fortgegangen 
war und außer dem Mährer niemand als Jäckls Töch- 
terlein zugegen gewesen, kam aus der Nachbarschaft 
ein Christenknabe von 41/2 Jahren mit Namen Mat- 
thes, eines armen Mannes, der Knecht im städtischen 
Marstal! war und Tillig Schmidt hieß, einziges Söhn¬ 
lein, ohne Vorwissen seiner Eltern in Jäckls Behau¬ 
sung, um seiner Gewohnheit nach mit dessen Kin¬ 
dern zu spielen. Diese Gelegenheit nahm der Jude Noe 
wahr, um, wie der ausführliche Bericht des damaligen 
Stadtschreibers und Notars Matthias Tyschlaar d. Â. 
lautet, den Grimm und Unwillen, so er boshaftiger- 
weise gegen die Christen gefaßt, auszuüben, stieß dem 
Kinde ein scharfes Brotmesser etlichemale in den 
Leib und brachte ihm damit 8 Wunden bei, von denen 
zwei tödlich waren; dann ließ er das Messer bis ans 
Heft im Leibe stecken und eilte aus dem Hause. Das 
Kind erlag noch selbigen Tags nach sechsstündigem 
Leiden und nachdem es in großer Mattigkeit bekannt, 
daß „der schwarze Jud im rauhen Pelz in Juden Jäckls 
Stiiblein6 es gestochen habe, seinen Verletzungen. 
Wie diese Mordtat unter der Bürgerschaft ruchbar 
wurde, geriet sie in eine solche Erbitterung, daß nur 
das strenge Einschreiten des zufällig anwesenden Saa¬ 
zer Kreishauptmanns Maximilian Wladislaus Elbögner 
vom untern Schönfeld einen blutigen Überfall auf die 
jüdischen Mitwohner verhüten konnte. Der Täter 
aber, als er aus dem Hause entwichen war, lief eine 
Gasse auf, die andere nieder, dann in die Vorstadt 
und wieder hinein in die Stadt und konnte nicht ins 
Freie gelangen, so daß ihn bald die Stadtknechte fan¬ 
den und in Gewahrsam nahmen. Beim Verhöre be¬ 
kannte er voll Trotz zu wiederho'ltenmalen seine Tat, 
die er, von niemandem veranlaßt, gerne vollbracht 
habe, weil er „einen solchen unreinen Hund44 nicht 
habe vor sich sehen können, zumal das Kind vor sei¬ 
nen Augen im Spiele mit dem Mädchen ein Kreuz ge¬ 
macht habe. Schon 10 Tage nach dem Morde langte 
auf den eingesandten Bericht vom Appellationsge¬ 
richte auf dem Prager Schlosse das Urteil über den 
Mörder ein, das ihm am 21. März in der Fronfeste 
vorgelesen ward. Als der Stadtschreiber den Schlu߬ 
satz: Im Jahre nach Christi, unseres lieben Herrn, 
Geburt las, spie Noë zum Entsetzen der Anwesenden 
dreimal aus. Sowohl der Stadtdechant Johannes Bött- 
ner von Glückstein wie der Quardian des Franziska¬ 
Kadafi 8 
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Kaaden 8
	        
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