Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

desselben Jahres verglich sich Joel Siissmann J. von 
Eidlitz mit seinem Schuldner über die Abstattung von 
23 Schock für Rohleder. Moses J. von Eidlitz wurde 
mitten im Winter des J. 1594 von einem jungen Kaad- 
ner auf freiem Wege ohne gegebene Ursache „mit 
mordlichem Gewehr" überfallen und mißhandelt, wo¬ 
bei ihm eine Kuh, die er am Strick führte, entlief. 
Das Gericht sprach ihm für die entlaufene Kuh und 
die erlittenen Schmerzen eine Entschädigung von 
5V2 Schock Groschen zu. Moisés, auch Moschel, Levin 
J. zu Prag mußte im Laufe des J. 1594 dreimal das 
Kaadner Gericht in Schuldsachen anrufen. Auf einen 
ihm zugesprochenen Betrag von 8 Schock legte David 
Eichhorn J. zu Drohnitz (Bez. K.) auf Grund älteren 
Rechtes ein Verbot, daß er ohne sein Einverständnis 
nicht ausgezahlt werde. Moisés, „der Jude von Krolop" 
(Kralup, Bez. Komotau), und Moisés Goldschmied, 
vielleicht eine Persönlichkeit, verschaffen sich mit ge-* 
richtlicher Hilfe die Bezahlung für verkaufte Pferde; 
letzterer erhielt dafür 28 Schock und 1 Strich Korn. 
Schließlich erscheinen noch Moisés J. von Kürbitz, 
der 1595 eine Geldangelegenheit betrieb und 1597 
der „J. Hensel, sonst Hans Matthes" genannt, wel¬ 
cher vor Gericht zusagte, daß er eine Geldschuld sei¬ 
nes Weibes begleichen werde. 
Wie ersichtlich, mehrten sich in den 80er und 90er 
Jahren die Gerichtsfälle mit Juden als Partei, offen¬ 
bar als die Folge einer lebhafteren jüdischen Ge¬ 
schäftstätigkeit, die sich über das Verbot des Hausier¬ 
handels hinwegsetzte und immer öfter im Einver¬ 
ständnisse mit den beteiligten Christen innerhalb der 
vier Wände des Hauses vollzogen werden mochte. 
Aber das Verbot des dauernden Wohnens in der Stadt 
scheint doch eingehalten worden zu sein, denn wäh¬ 
rend des ganzen Zeitraumes erscheint kein einziges 
Mal bei einem jüdischen Namen der die Seßhaftigkeit 
bezeichnende übliche Zusatz „Jude allhier" verwen¬ 
det. Und als das untersagte Hausieren und Übernachten 
in der Stadt überhand nahm, suchte der Rat die halb 
vergessene Verordnung von 1520 wieder zur Geltung 
zu bringen und strenger zu handhaben. In einer Ein¬ 
gabe vom 30. Juni 1616 begründete er die Erneuerung 
dieser Verordnung damit, daß die Juden sich eine ge¬ 
raume Zeit her dermaßen in K. eingenistet hätten, 
daß sie nicht allein die ganze Woche mit Ausnahme 
ihres Sabbats mit Handel und Wandel in der Stadt 
lägen, sondern auch sich unterstanden hätten, eigene 
Kammern als Niederlagen ihrer Waren und Pfänder 
zu mieten, und da sie mit ihren meisterlichen Prakti¬ 
ken arme Mitbürger, die durch Unglücksfälle, Miß 
wachs und die hohen Steuern in Not geraten, oder 
junge, unerfahrene Leute, denen die Eltern einen an¬ 
sehnlichen Besitz hinterließen, in verschlagener Weise 
derart umgarnt hätten, daß sie Haus, Hof und Güter 
verloren und sogar der Stadt den Rücken kehren 
mußten; denn sie begnügten sich keineswegs mit dem 
üblichen jüdischen Wucherzins von 2 kleinen Pfen¬ 
nigen wöchentlich für ein Schock Groschen und nah¬ 
men 3 Pfennige und sogar von 2 Schock einen kleinen 
Groschen, so daß oftmals die Zinsen die Schuldsumme 
überstiegen. Auch hätten die Kaadner im Schöppen- 
stuhl mit den jüdischen Händeln weit größere Mühe 
als mit den Angelegenheiten der eigenen Bürger. 
Darum müßte der vor 90 und etlichen Jahren gefaßte 
Ratsbeschluß wieder zum Leben gebracht und den 
Juden wenigstens die freie, öffentliche Herberge und 
die Gepflogenheit, Niederlagen zu mieten, eingestellt 
werden, wo man doch vollauf berechtigt gewesen 
wäre, dem Beispiele vieler Herren und Städte zu fol¬ 
gen, bei denen kein handeltreibender Jude sich blicken 
lassen dürfe. Dagegen erhoben die Kaadner Juden 
durch Vermittlung der Ältesten der Prager Juden¬ 
schaft Einsprache und richteten an die kgl. Kammer 
die Bitte, zu verordnen, daß den in einem Umkreise 
von 2 Meilen um die Stadt K. wohnenden Juden die 
Nachtherberge und das Mieten von Niederlagen in der 
Stadt gestattet werde. Die Statthalterei fand das, was 
die Juden auf die Anklage des Rates entgegnet hatten, 
begründet, daß nämlich die Gewölbe keineswegs zum 
Schaden der Bürgerschaft, vielmehr zu ihrem Nutzen 
gemietet würden und daß die Juden in der Stadt 
Nachtherberge nur notgedrungen und wider ihren 
Willen nähmen in Fällen, wo sie vormittags rechtzei¬ 
tig vor Gericht erscheinen müßten oder bösen Wet¬ 
ters und unsicherer Wege halber nicht zeitig genug 
fortkommen könnten. Darum wurde den Kaadnern 
aufgetragen, den Juden als des Kaisers Kammerleuten 
in Notfällen Nachtherberge zu gewähren und zur si¬ 
cheren Verwahrung der von den Bürgern übernom- 
menen Pfänder etwa eine Kammer gegen gebührli¬ 
chen Zins, doch nicht um darin zu wohnen, sondern 
nur die Pfänder eine Zeitlang aufzunehmen, zu über¬ 
lassen. Auch sonst sollten sie nach Tunlichkeit die 
Juden fördern und ihnen nicht zuwider sein. 
Nun erschien im J. 1624 der Feistl J. vor dem Rate 
und wies ein kaisl. Sonderprivileg vom 11. Juni d. J. 
vor, kraft dessen er sich mit Weib, Kindern und^ Toch¬ 
termännern in der Stadt K. aufhalten und Handel 
treiben könne bis auf kaisl. Widerruf. Die Kaadner 
trugen diese erzwungene Aufnahme einer verzweigten 
Judenfamilie mit Ärger, zumal bei derselben sich Ju¬ 
den aus unterschiedlichen Orten, nicht allein Böh¬ 
mens, sondern auch aus anderen Ländern fast täglich 
einfanden und oft längere Zeit verweilten. Weil aber 
die Stadtfreiheiten zu dieser Zeit von dem neuen 
Herrscher Ferdinand II. noch nicht bestätigt und die 
Bürger in Sorge waren, daß der Kaiser sie seine 
Ungnade wegen ihrer iBeteiligung am böhmischen 
Aufstande werde weiter fühlen lassen, unterließen sie 
es, dagegen Schritte zu tun. 
Erst als mit dem Gnadenbriefe vom 18. Juni 1628 
Ferdinand die Stadt wieder in Gnaden aufnahm und 
in Bestätigung der früheren Privilegien und Rechte 
guthieß, daß kein Nichtkatholik in der Stadt oder in 
den Vorstädten Häuser ankaufen, solche mieten oder 
in ihnen ein Gewerbe treiben dürfe, richtete der Rat 
unter Berufung darauf am 10. Juni 1630 das Gesuch 
an die Prager Statthalter, beim Kaiser die Verfügung 
zu erwirken, daß die Stadt sowohl mit weiteren Auf¬ 
nahmen von Juden verschont und auch von den jetzt 
daselbst wohnenden befreit werde; da die der Reli¬ 
gion halber aus der Stadt ins Ausland entwichenen 
Bürger ihre Häuser und Güter innerhalb vier Mona¬ 
ten zu verkaufen gezwungen seien, würden sich bald 
genug Käufer dafür finden und die Stadt werde 
wieder ohne Zutun der Juden mit Einwohnern besetzt 
werden, wie es der Wunsch des Kaisers sei. Diese Ein¬ 
gabe blieb aber fruchtlos, denn gerade in den beiden 
nächsten Jhzt. erscheinen, wie die Amtsbücher aus¬ 
weisen, am öftesten Juden in den Ämtern, die aus¬ 
drücklich als „allhier" wohnend bezeichnet werden. 
Der Rat mußte sich darein fügen und neuen jüdischen 
Zuzug dulden. Ja, als in den 30er und 40er Jahren 
schwedische und kaisl. Völker die halbverbrannte 
und ausgehungerte Stadt des öfteren heimsuchten, 
mag ihm die Anwesenheit der geldkräftigen Juden 
willkommen gewesen sein, damit sie zu den von 
Freund und Feind erpreßten Geldern und Lebens¬ 
mitteln beisteuerten. Es sind auch zwei Fälle überlie- 
Kadan 4 
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Kaaden 4
	        
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