Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

herwandeln in den himmlischen lichten Räumen, dort 
im Lande des wahren Lebens wirst Du ewig dauernde 
Freuden genießen. 
Der Name seiner Mutter war Sarah. 
XII. Im J. 1843 kam Dr. Isak E 1 b o g e n als KRb. 
nach J. Einer Gelehrtenfamilie entstammend, ver¬ 
band Dr. Elbogen weltliche Bildung mit talmudi¬ 
schem Wissen und ist sein Andenken in dieser Ge¬ 
meinde von Jung und Alt hochverehrt. Ein selten 
biederer Charakter, dem Wahrheit, Recht und Frie¬ 
den als die höchsten Güter des Lebens galten. 
Volle 37 Jahre wirkte der Verewigte hier und im 
Alter von 69 Jahren verließ er seinen hiesigen Wir¬ 
kungskreis, um seine alten Tage, sein otium cum 
dignitate bei seinem einzigen Sohne Guido Elbogen, 
Direktor der Anglo-Bank in Wien, zuzubringen. Lei¬ 
der war es ihm nur kurze Zeit vergönnt, diese Ruhe 
zu genießen, da er nach einigen Jahren (am 27. Ab 
5643 (1883) in Wien das Zeitliche segnete und da¬ 
selbst auf dem Zentralfriedhofe ruht. Eine kleine Ar¬ 
beit (überdies veröffentlichte Dr. Elbogen im J. 1860 
eine Selichah, die in der hiesigen Synagoge am 24. 
Ijar, an der Wiederkehr des Tages des großen Bran¬ 
des in der Judengasse in J., noch heute rezitiert wird, 
und die der Verewigte veröffentlichte) zeugt von der 
tiefen talmudischen Erfassung der Mischna, und soll 
der Verewigte, wie Herr PhDr. und JUDr. Emanuel 
Kraus in J. mir mitteilte, die sämtlichen Mischnajoth 
auswendig gewußt haben. Der Titel des Werkchens 
lautet : Unterhaltungen in der Gemara nach Frage 
und Antwort über sämtliche Ordnungen der Mischnah. 
Prag 1865. Druck und Verlag v. S. Freund. 
XIII. In den letzten Jahren seiner amtlichen Tätig¬ 
keit kam Herr Dr. David S t ö s s e 1, derzeit Rb. und 
Prediger in Stuttgart, als Hilf sp rediger und Religions¬ 
lehrer nach J. und versah dieses Amt provisorisch 
vom 22. Oktober 1876 bis September 1881. Seine 
Dissertation handelte über Rabbi Salomon ben Ga- 
birols Religionsphilosophie. Dr. Stössel ist aus Lak¬ 
kenbach in Ungarn. (Herr Dr. Stössel teilt mir in sei¬ 
nem Briefe de dato 23. Okt. 1888 mit, daß dessen 
Vater Jakob (R. Jekl) ein tüchtiger Talmudist aus 
der Schule des R. Nachum Trebitsch und des R. 
Mosche Perls in Eisenstadt, dabei ein fleißiger Ge¬ 
schäftsmann, was seine Väter auch waren, gewesen. 
Am 27. Dezember 1885 hat Dr. Stössel die in Wür- 
temberg vorgeschriebene 2. theologische Staatsprü¬ 
fung abgelegt und am 11. April 1886 wurde ihm 
durch Entschließung des kgl. Staatsministeriums in 
Vollmachtsnamen Sr. Majestät Titel und Rang eines 
Rb. verliehen. Als solcher hat Dr. Stössel Sitz und 
Stimme im Kirchenvorsteherrat und ist in Verhinde¬ 
rungsfällen des Kirchenrats Vorsitzender des Kolle¬ 
giums. Außer der erwähnten Dissertation veröffent¬ 
lichte Dr. Stössel mehrere Reden. 
XIV. Diesem provisorischen Amte folgte nun eine 
Definitive, u. zw. in der Person des Dr. Alexander 
K i s c h. Im November 1881 kam dieser von Zürich, 
wo er das Rabbinat bekleidete, nach J. Dr. Kisch 
wurde in Prag am 5. Oktober 1848 geb., erhielt den 
ersten Unterricht von seinem Vater Josef, besuchte 
das Breslauer theologische Seminar, absolvierte sei¬ 
ne Studien daselbst, war sodann Erzieher im Hause 
des Barons Günzburg in Paris, bekleidete das Rabbi¬ 
nat in Brüx bis 1877, von 1877—1881 in Zürich, 
1881—1886 hier in J. und vom J. 1886 Rb. und Pre¬ 
diger an der Meiselsynagoge in Prag. Dr. Kisch war 
überdies Feldprediiger der k. k. österreichischen 
Landwehr (zugeteilt dem 33. Bataillon). Die von ihm 
veröffentlichten Schriften sind in Ch. D. Lippes 
Bibliographischen Lexikon, Wien 1879 (p. 233—234) 
angeführt. Dr. Kisch hat nicht nur die „Neue Illu¬ 
strierte Isr. Zeitung'4, sondern auch den „Isr. Lehrer¬ 
boten46 mehr als 1 Jahr hindurch trefflich redigiert. 
XV. Am 15. Tage des Monates Ab 5646 (16. August 
1886) trat Dr, Moritz Grünwald sein Amt als Rb, 
in J. an. Derselbe entstammt der Familie des berühm¬ 
ten Rabbi Meir ben Jizchak, vulgo genannt, 
der in Eisenstadt am 27. Siwan 5504 (7. Juni 1744) 
verschied. In dem handschriftlich in meinem Be¬ 
sitze vorhandenen Werke meines sei. Großvaters R. 
Josef Zwi (Hirsch) Grünwald, betitelt Kab Josef, 
verschiedene denkwürdige Auslegungen für die Ja¬ 
gend nach den Wochenabschnitten der Thora geord¬ 
net., aggadische Erläuterungen und für die Erfahre¬ 
nen jnoralische Betrachtungen von mir dem kleinen 
und jüngsten. Es sind für alle Sabbate des Jahres, so¬ 
wie für alle Festtage, religiöse Vorträge im Stile der 
damaligen Zeit. Der verewigte Großvater b"1 war 
durch 41 Jahre Prediger und Dajjan in Bisenz, Mäh¬ 
ren, er wurde geb. im J. 1785 und starb im Alter 
von 74 Jahren am 1. Schebuotstage des J. 5619 
(1859). Mein geliebter Vater Jacob Grünwald 
war durch vierzig Jahre Lehrer und Religionslehrer 
am k. k. Realobergymnasium zu Ung. Hradisch in 
Mähren. Seit zwei Jahren privatisiert derselbe in sei- 
nem Geburtsorte, in Bisenz, Mähren. Meinem teue¬ 
ren Vater verdanke ich den größten Teil meines 
Wissens, das Streben nach Wahrheit und echte Men¬ 
schenliebe. Im J. 1877 lehrte ich die französische 
Sprache an der k. k. Staatsoberrealschule in Budweis, 
von 1878—1881 besuchte ich dias Breslauer theol. 
Seminar, beendete daselbst meine theologischen Stu¬ 
dien, kam im August 1881 als Komitats-Rb. nach 
Belovar, Kroatien, ehemalige Militärgrenze), im März 
1884 nach Pisek und bin seit 16. August 1886 in J. 
Meine biogr. Daten befinden sich in A. Hinrich- 
sens Werk: „D as literarische Deutsch- 
1 a n d,44 Berlin und Rostok, 1887, p. 204—205, in 
S. L. Grossmanns „Mo a di m l's i m c h a h44, p. 
559—560, in den Blättern des Vereines 
für die Geschichte der Deutschen in 
Mähren (Juli 1888) und in A. de Gubernatis D i c- 
tionaire international des écrivains 
du jour. Florence Nicolai sub vae Grünwald 
Maurice. Die von mir veröffentlichten literari¬ 
schen Arbeiten sind verzeichnet in Ch. D. Lippes 
Bibl. Lexikon I, Wien 1879, Seite 156—157 
und Seite 604—605, in Ch. D. Lippés Bibl. 
Lexikon, II. Bd., p. 85—86 und in Kürschners 
deutschem Literatur - Kalender des J. 1886—1889. 
Im März 1884 erhielt ich einen Ruf als Direktor des 
Aria College in Port-Sea (England) und im Novem¬ 
ber 1886 einen solchen als Professor des Hebräischen 
und Syrischen an das zu Rom gegründete Rabbiner¬ 
seminar. 
Meines Lebens Ziel ist, eine urkundliche Ge¬ 
schichte der Juden in Böhmen zu schreiben, um den 
Bewohnern des Landes, in welchem ich lebe und 
wirke, zu zeigen, daß deren Vorfahren Religiosität 
und wahren Fortschritt, Menschlichkeit und prakti¬ 
schen Sinn zum eigenen Heile und zu dem der Nach¬ 
kommen stets verbanden und glücklich und beglük- 
kend lebten. — Der Stammbaum meiner Familie ist, 
soweit ich ihn bis jetzt an der Hand von Urkunden 
erforscht, folgender: Rabbi Isak — Rabbi Meïr ben 
Jizchok — Méharan, Eisenstadt genannt — Eliezer 
Jizchak — Jakob, heir. Rachel — Tochter Chawa, 
ehelichte R. Israel Grünwald — Josef Hirsch — Ja¬ 
cob (geb. wurde mein geliebter Vater am Rüsttage 
Ml. Boleslav 15 
218 
Jungbunzlau 15
	        
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