Das alte England, das überall in der Welt, auch in Deutschland,
aufrichtige Freunde und Bewunderer hatte. Der nationalistische
Überschwang, die Unduldsamkeit gegen Andersdenkende, das hyste¬
rische Niederschreien jeder Meinung, die nicht die der großen
Masse ist, die Nichtachtung jeder individuellen Freiheit im Denken
und Landein, dieser Zwang zur Anfreiheit, zum gewaltsamen Sich-
anpassen an etwas, was von oben her als Staatsinteresse dekretiert
wird, dieses Abirren von den Bahnen, die schließlich zu Englands
Größe und Machtstellung geführt haben, dies Zurückgleiten in
feudalistische Neigungen, die man gerade in England für über¬
wunden halten durfte — das alles läßt uns das heutige England
in einem so absolut unwirklichen Licht sehen. Wir wissen nicht,
was hinter diesem Dunstschleier steckt, der uns das wahre Gesicht
Englands verhüllt. Nur das eine wissen wir: das England, wie
es sich uns heute darstellt, ist ein Zerrbild des England, das wir
bisher kannten, ist aus dem Lande kühnen Vorwärtsschreitens zu
einem Lande bedenklichen Rückschritts geworden.
Lolland hat immer zu den entschiedensten Bewunderern der
englischen Politik gehört. Es gibt kaum ein zweites Land in
Europa, wo das Gefühl für die persönliche Freiheit so stark aus¬
geprägt ist wie in Lolland, und es ist begreiflich, wenn die Sym¬
pathien des holländischen Volks sich in erster Linie dem Lande
zuwandten, das bislang als die vorgeschrittenste Verkörperung des
politischen Freiheitsideals galt. Jetzt sieht man, daß auch in
England der Freiheitsbegriff nicht viel anderes ist als tönender
Schall, ein Truggebilde, das vor der nationalistischen Leidenschaft¬
lichkeit und Verblendung jäh zusammenbricht. England ist zu
einer Gefahr geworden für die kleinen Völker, und namentlich in
Lolland, wo man jahrzehntelang das Märchen von der deutschen
Gefahr gedankenlos nachgebetet hatte, erkennt man immer deut¬
licher, daß, wenn Lolland in diesem Kriege überhaupt eine Gefahr
droht, diese von einer ganz anderen Seite zu erwarten ist.
Man ist mißtrauisch geworden gegen England, den Verbündeten
Japans, das immer dreister und ungenierter seine Begehrlichkeit
nach dem indischen Kolonialbesitz Lollands zu erkennen gibt, mi߬
trauisch gegen die ganze Zwangspolitik des Vierverbands, die sich
jeder wirklichen Neutralität feindlich zeigt, mißtrauisch geworden
gegen das „stammverwandte" Belgien, dessen Flüchtlingsscharen
man so liebevoll aufgenommen hat, und von dessen Seite jetzt
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