Volltext: Steins Geschichte des Weltkriegs

Die Bürgerschaft war von ihren Behörden zeitig auf den Fall der Stadt vor¬ 
bereitet worden und konnte deshalb noch rechtzeitig eine Reihe von Werten in Sicher¬ 
heit bringen. Der Einbruch der russischen Horden auf den Boden Galiziens führte — 
wie in Ostpreußen — zu grausamer Brandschatzung und Mißhandlung der Bevöl¬ 
kerung. Man ließ es sich angelegen sein, gleichzeitig mit der Errichtung der russischen 
Herrschaft auch die Einführung der orthodoxen Religion zu betreiben, indes der 
ruthenische Erzbischof Karl Szeptycki gefangengesetzt und ins Innere des Landes 
verbracht wurde. 
Roch einmal sollte es den österreichischen Waffen gelingen, in der Gegend von 
Grodek, östlich von Lemberg, dem Feind in fünftägigen Schlachten schwere Verluste 
beizubringen. 10 000 Gefangene und zahlreiche Geschütze blieben in des Siegers Hand. 
Aber zu einer vollen Ausnutzung des Sieges kam es nicht, da die Russen aus der 
scheinbar unerschöpflichen Fülle ihres Menschenreichtums wieder gewaltige Verstär¬ 
kungen herangezogen hatten, die ein weiteres Vordringen unmöglich machten. 
Indessen schritt die Bedrohung Galiziens durch die russische Armee immer 
weiter fort. Die Festung Przemysl wurde vom Feinde eingeschlossen, aber es gelang 
zunächst noch, die Karpathenstellung zu halten und gleichzeitig mit der Offensive der 
deutschen Armee den eigenen Angriff vorzutragen und Anfang Oktober den Feind 
bei Opatov und Klimontvw über die Weichsel zu werfen. Am 10. Oktober versuchte 
der Feind noch einmal einen Sturm auf die Südfront von Przemysl, der aber zurück¬ 
gewiesen wurde. Run wird die rückwärtige Bewegung der Russen allgemein. Die 
österreichisch-ungarische Armee blieb dem gegen die Grenze ausweichenden Feinde auf 
den Fersen und erreichte unter heftigen Kämpfen den San, über den die Rüsten flucht¬ 
artig zurückweichen müssen. Und während deutsche Truppen Polens alte Hauptstadt 
Warschau bedrängen, erscheint das österreichische Heer überraschend vor Iwangorod, 
schlägt zwei feindliche Divisionen und entreißt dem Gegner neben 3600 Gefangenen 
reiche Kriegsbeute. 
Mitte November zogen die Rüsten gegen Galizien und Ungarn abermals ein 
Heer zusammen, das durch seine große zahlenmäßige Überlegenheit der österreichisch- 
ungarischen Heeresleitung einen neuen strategischen Rückzug aufnötigte. In glänzender 
Weise lösten sich die Truppen wohlgeordnet vom Feinde, dem es an keiner Stelle 
gelang, die Bewegungen zu hemmen. Wie eine vernichtende Woge ergossen sich nun 
die rustischen Horden über San und Dunajec nach Galizien und über die Pässe der 
Karpathen in die ungarischen nördlichen Komitate, sowie in die Bukowina. Aufs 
neue setzte eine furchtbare Verwüstung ein, und am 10. November gelangte auch die 
Festung Przemysl zu einer neuen Einschließung. Mit großer Tapferkeit wagte die 
Besatzung drei Tage später einen Ausfall, durch den sie dem Feinde nicht unbeträcht¬ 
liche Verluste beizubringen vermochte. Es mußte von ihr schmerzlich empfunden 
werden, untätig hinter den Festungsmauern verharren zu müssen. Aber der Dichter 
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