Volltext: Steins Geschichte des Weltkriegs

wältigen Übermacht einsame deutsche Grenzposten, die vom Ausbruch des Krieges noch 
nicht benachrichtigt waren. Über den Überfall auf den deutschen Posten Bvnga sind 
wir durch den nachfolgenden Bericht eines Augenzeugen eingehend unterrichtet: „Am 
6. August 1914 weckte mich mein Boy um 5 Uhr morgens und sagte mir, es käme ein 
Schiff aus dem Kongo in den Ssangafluß auf Bonga zu. Nachdem ich mich angezogen, 
ging ich zum Zollposten, um Waren und Briefe, welche eventuell mit dem Schiffe 
kommen könnten, in Empfang zu nehmen. Das Schiff kam wegen der vielen Sandbänke 
im Flusse nur langsam näher. Es mochte etwa noch einen Kilometer entfernt fein, als 
wir, Herr Mellenthin, Zollaffistent und Postenführer, und ich, in rascher Reihenfolge 
Kanonenschüsse hörten. Im Augenblick hielten wir diese Schüsse für Salut; als aber 
ein Geschoß durchs Dach ging und die weiteren dicht bei uns einschlugen, sahen wir, daß 
es ernst war. Wir wurden mit einem Hagel von Geschütz- und Gewehrfeuer über¬ 
schüttet. Die Sirene des Postens gellte Alarm. Wir waren drei Weiße, Herr Mellen¬ 
thin, Herr Sanitätsbeamter Deuschel, welcher an schwerem Malariafieber im Bette 
lag, und ich, ferner zwölf schwarze Soldaten. Wir dachten, es handle sich um einen 
Aufstand von schwarzen Soldaten oder Eingeborenen. Da der Zollposten in einem 
verheerenden Geschütz- und Gewehrfeuer war, zogen wir uns bis ins Negerdorf Bonga 
zu meiner Faktorei zurück. Hier erwarteten wir die Angreifer. Wieviel Svldaten- 
weiber, Kinder und andere Schwarze getroffen waren, konnten wir nicht feststellen. 
Von uns war wie durch ein Wunder niemand verletzt, nur ein Soldat hatte einen Arm¬ 
schuß. Nun sahen wir eine Rotte Senegalschützen um die Ecke der Dorfftraße biegen. 
Wir eröffneten das Feuer, und sie zogen sich zurück. Nach kurzer Zeit kamen sie in einer 
Truppe von über hundert an, mit Kanonen, und wir mußten uns in den Urwald zurück¬ 
ziehen. Hier verlor ich Herrn Mellenthin mit seinen zwölf Soldaten aus den Augen. Ich 
lief mit meinem Koch und Boy nach dem Ssangafluß zu; hier traf ich auf einen meiner 
Leute, welcher mit seinem Boote den Fluß hinaufruderte. Wir gingen aus dem schützen¬ 
den Urwald ins Boot und wurden sofort von unterhalb des Flusies beschossen; mehrere 
Kugeln durchschlugen das Boot, von uns wurde jedoch niemand verletzt, und wir 
erreichten glücklich die nächste Flußbiegung. Hier hielten wir an. Ich hörte lebhaftes 
Gewehrfeuer; wem das galt, war mir unbegreiflich, da doch von unserer Seite niemand 
mehr in Bonga war. Jetzt kamen geflüchtete Neger bei uns an, welche mir erzählten, 
daß weiße Offiziere bei den Soldaten wären. Darauf ging ich zurück zu meiner 
Faktorei, welche erbrochen und fast vollständig ausgeraubt war. Zwei Blechkasten mit 
ungefähr 1900 Frank waren ebenfalls weg. Das Dorf war vollständig leer. Nach 
einiger Zeit bemerkte ich am Ende der Dorfftraße eine Anzahl schwarzer Soldaten mit 
einem Kolonialofsizier; letzterer winkte mich herbei und fragte mich, wer ich wäre; auf 
meine Antwort, daß ich der Vertreter einer englischen Kompanie sei, wurde ich vor den 
Kommandanten geführt, welcher meine Papiere durchsah und mir erklärte, da ich 
Deuffcher sei, müßte er mich zum Kriegsgefangenen machen. Ich wurde nicht mehr zu 
meiner Faktorei zurückgelasien und Tag und Nacht von drei Soldaten bewacht. Ebenso 
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