Volltext: Steins Geschichte des Weltkriegs

Wien entschiedene Vorstellungen zu machen, mit der russischen Regierung noch einmal 
unmittelbar in Unterhandlung zu treten. Der Reichskanzler ließ durch den deutschen 
Botschafter in Wien der österreichisch-ungarischen Regierung erklären: „Wir können 
Österreich-Ungarn nicht zumuten, mit Serbien zu verhandeln, mit dem es sich in 
Kriegszustand befindet. Die Verweigerung jeden Meinungsaustausches mit St. 
Petersburg aber würde ein schwerer Fehler sein. Wir sind zwar bereit, unsere 
Bündnispflicht zu erfüllen, müsien es aber ablehnen, uns von Ssterreich-Ungarn durch 
Nichtbeachtung unserer Ratschläge in einen 'Weltbrand hineinziehen zu lasten." In 
der Tat versah denn auch die österreichisch-ungarische Regierung in St. Petersburg 
den Grafen Szapary mit Instruktionen zur Unterhandlung mit der russischen Re¬ 
gierung. Allein diese wollte den Krieg, und so wurden diese Unterhandlungen durch 
die allgemeine russische Mobilmachung jäh unterbrochen. Mit welchen Zielen Ru߬ 
land den Krieg heraufbeschwor, erhellt aus den Worten, die der Zar am 9. August 
an die Mitglieder der Reichsduma und des Reichsrates richtete: „Wir verteidigen nicht 
nur Würde und Ehre unseres Landes, sondern wir kämpfen auch für unsere slawischen 
Brüder, unsere Glaubensgenossen und Blutsverwandten. In diesem Augenblicke sehe 
ich auch mit Freuden, wie die Einigung der Slawen mit Rußland stark und unauf¬ 
löslich sich vollzieht." And der Minister des Äußeren, Sasanow, erklärte in der Duma, 
daß Österreich-Ungarn das Werk der Einigung der Slawen nicht hindern werde. 
Roch vor dem Austausch der Kriegserklärungen begann Rußland seine feind¬ 
lichen Handlungen, wozu es durch Truppenbewegungen zur Grenze hin — noch 
während es Friedensbemühungen heuchlerisch zu fördern schien — in Stand gesetzt 
war. In der Nacht vom 1. auf den 2. August griff eine russische Patrouille gegen die 
Eisenbahnbrücke über die Warthe bei Eichenried an der Strecke Iarotschin-Wreschen 
vor, doch eben so erfolglos, wie eine Unternehmung gegen den Bahnhof Miloslaw. 
Stärkere russische Kolonnen mit Geschützen überschritten bei Schwiddern südöstlich 
Bialla die Grenze, indes Kosakenschwadronen in Richtung auf Iohannisburg und 
Lyck vordrangen. Das aus seinen Friedensbemühungen entspringende Zögern Deutsch¬ 
lands setzte es nun in den Nachteil, feindlichen Übergriffen nur mit geringen Streit¬ 
kräften begegnen zu können. Zur See freilich erfolgte die deutsche Antwort auf Ru߬ 
lands Friedensbruch schon am ersten Tage der Mobilmachung. Der Kommandant der 
„Augsburg", Kapitän Fischer, und der der „Magdeburg", Kapitän Habenicht, lösten 
die ersten scharfen Kanonenschüße auf Libau und zerstörten wichtige Anlagen des 
rustischen Kriegshafens. Leider ereilte nur zu bald am 27. August den Kreuzer 
„Magdeburg" das beklagenswerte Schicksal, im Finnischen Meerbusen bei der Insel 
Odensholm feindlichem Angriff zum Opfer zu fallen. Gerettete des Kreuzers be¬ 
richteten bei ihrer Landung in Hamburg: „Bei dichtem Nebel und in aller Stille folgte 
die „Magdeburg" einem vorausfahrenden Führerschiff, das aber infolge des stärker 
werdenden Nebels bald verschwand. Der Versuch, die Fahrt ohne Führer fortzusetzen, 
endete mit dem Auffahren auf ein Riff. Der Nebel wurde inzwischen immer dichter. 
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