Volltext: Johannes Bünderlin von Linz und die oberösterreichischen Täufergemeinden in den Jahren 1525 - 1531

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und etwas wäre, das ihn erkennt. Gott kann nicht ohne einen 
seiner Natur begreiflichen oder verständigen Gegenwurf sein und 
unerkannt bleiben. Wenn seiner Niemand geniefst, wäre das eben 
soviel, als wäre er gar nicht. Deshalb hat sich die göttlich Art 
in die Geschöpfe ausgetheilt, in des Geistes Gegentheil, die leib 
liche und sichtbare Creatur, darunter die Menschen“ (S. 1—5). 
An anderer Stelle: „Das unsichtbare Wesen, Gott, hat sich 
unserthalber aufgethan und ausgegossen, das doch nicht aufgelöst, 
getheilt und ausgegossen, noch aus ihm selbst kommen kann, da 
er alle Dinge in sich einschliefst und behält und dennoch unge 
halten ganz frei bleibt.“ 
„Vor der Schöpfung, sagt schon die Kabbalah, war Gott ohne 
Gestalt, indem er nichts glich, und in diesem Zustand konnte ihn 
kein Verstand erfassen. Der König aller Könige, der Verborgene aller 
Verborgenen und die Ursache aller Ursachen bekleidet sich nur 
deshalb mit einem glänzenden Kleide, um sich zu erkennen zu 
geben, um dadurch den Bewohnern der Erde einen Begriff von 
seinem heiligen Wesen beibringen zu können. Bevor Gott sich 
manifestiert hatte, als alle Dinge noch in ihm verborgen lagen, 
war er der Verborgenste unter allen Verborgenen._ Da hatte er 
nur den Namen „Wer?“ (nei). Er bildete zuerst einen unsicht 
baren Punkt, dies war sein eigenes Denken. Dann fing er an, 
mit seinem Denken eine geheimnisvolle und heilige Gestalt zu 
machen, endlich bedeckt er sie mit einem reichen und glänzenden 
Kleide, dem Weltall, dessen Namen mit dem Namen Gottes zu 
sammenfällt. Noch ehe die Kabbalah in Deutschland bekannt 
geworden war, hat bekanntlich Meister Eckhart seine Gedanken 
über das Wesen der Gottheit in gleicher Weise wie Bünderlin 
darzustellen versucht. Gott ist das allgemeine in allen Dingen, 
sagt er, das sie in sich setzt und trägt und allein sagen kann: 
„Ich bin.“ 
Alles andere ist nur seine Bestimmung, nur eine Weise von 
ihm. Sein Wesen ist höchste Vernunft, Denken und Wissen; indem 
er sich selbst erkennt, und ausspricht, wird die Finsternis gelichtet 
und der stille Grund der Gottheit zum wirklichen Gott, in welchem 
Sein und Denken identisch sind, weil er in allem sich selbst er 
kennt. Gott mufs sich offenbaren und diese Offenbarung ist die 
Welt, ist der Mensch, ist das Eigen. In diesem, in der Welt, im 
eigenen Ich erkennt sich Gott selbst, weil er von diesem erkannt 
wird. Und dem Sinne nach ganz hiermit übereinstimmend läfst
	        
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