Volltext: Johannes Bünderlin von Linz und die oberösterreichischen Täufergemeinden in den Jahren 1525 - 1531

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danken ist es weniger beeinflufst als: Eine gemayne Berechnung 
über der heiligen Schrift Inhalt. 1 ) 
Das Buch ist noch ganz mystisch gehalten und nur hie und 
da leuchten aus dem wenig durchsichtigen mystischen Gewölbe 
einige rationalistische Sterne auf. Wie schon der Titel sagt, be 
handelt die Schrift in ihren 41 Seiten 8° die Bedeutung des Er 
lösungswerkes. Der Verfasser geht, um zum Verständnis dieser 
Bedeutung zu gelangen, von dem Gottesbegriff und von der Stellung 
der Gottheit zur Natur und zum Menschen insbesondere aus. Wie 
keine andere Stelle in den Bünderlinschen Schriften, beweisen 
gerade die diesbezüglichen Ausführungen, dafs er von den theo- 
sophischen Ideen der Zeit ganz erfüllt war und dafs er gleich seinen 
Gesinnungsgenossen in Italien und Deutschland, den Theosophen 
der italienischen und deutschen Renaissance, Gedanken der deut 
schen Mystik mit neuplatonischen und kabbalistischen Ideen ver 
schmolz. Von solchen Grundlagen ausgehend, entkleidet er die 
% Gottheit jenes sinnlichen Charakters, den sie zu Ausgang des 
katholischen Mittelalters angenommen hatte, und sucht sie zu ver 
geistigen, die Natur aber und alles, was sie hervorbringt, mit 
dieser vergeistigten Gottheit zu erfüllen. 
Sebastian Frank und Theophrastus Paracelsus haben unmittel 
bar nach Bünderlin und sicher nicht unbeeinflufst von ihm in sinn 
verwandter Weise das Wesen der Gottheit und ihr In wohnen in 
der Natur zu erklären versucht. 2 ) 
„Gott, das einig Gut, das ewig ist,“ heilst es in der zweiten 
Schrift Bünderlins, „hat sich im Anfang der Schöpfung hervor- 
gethan und ausgegossen, dergestalt, dafs man ihn gewahr würde 
9 Eben wegen seiner gröfseren Selbständigkeit halte ich dieses Buch 
für später verfafst, als das zuerst besprochene. Diese Annahme wird auch 
dadurch unterstützt, dafs in diesem Buche eine in dem erstbehandelten Werke 
in allgemeinen Umrissen behandelte Frage, die der Menschwerdung Christi, 
eine eingehende, spezielle Erörterung erfährt. 
2 ) Ein halbes Jahrhundert nach Paracelsus, dessen in den dreifsiger 
Jahren verfafste theosophische Schriften erst nach seinem im Jahre 1541 er 
folgten Tode veröffentlicht worden sind, haben G-iordano Bruno in Italien 
und Jacob Böhme in Deutschland aus denselben Elementen jenes pantheistische 
System gebaut, welches wenn auch nicht durch logische Entwicklung und 
Exaktheit, doch durch die Grofsartigkeit und Schönheit seiner Gedanken 
wenigstens den Wert eines von überquellender Phantasie erfüllten Kunst 
werkes hat und als solches Jahrhunderte hindurch Stoff und Anregung zu 
dichterischer Gestaltung geliefert hat.
	        
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