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halten. Dafs auch Mitglieder angesehener Familien zu ihren An
hängern zählten, beweist die Liste derjenigen, die 1526 unter dem
Verdachte des Wiedertaufs über Befehl des Rates verhaftet, in
den Turm gelegt und verhört worden sind. Es befanden sich
darunter Fridolin Meiger, Contractuum Notarius und Jörg Tücher,
der Schwiegersohn des Stadtschreibers, der den täuferischen Kon-
ventikeln sein eigenes Haus geöffnet hatte. Sein Verhör sagt uns,
wie es bei diesen Strafsburger Konventikeln zuging. Nach dem
gemeinsamen Gebet, sagt er, legen sie die Schrift nach eines jeden
Geist aus.
Im Laufe des Jahres 1526 hat bekanntlich jene Täufersynode
in Augsburg stattgefunden, welche unter der Leitung Joh. Denks
die Organisation des Täufertums und deren Vereinigung zu einer
selbständigen, von der katholischen und lutherischen Kirche sich
ab grenzenden Sekte herbeiführte, ein Ereignis, das die Sache der
Täufer wesentlich beeinflufste und auch in den Strafsburger Verhält
nissen wesentliche Änderungen hervorrief. Nach Strafsburg hatte
Denk, der Leiter und Führer dieser Reformbewegung, sein Haupt
quartier verlegt und von dort aus versucht, der Täuferbewegung
die seinem Denken und Streben angemessene Richtung zu geben.
Diese Richtung aber war, wie wir wissen, eine ausgeprägt mystische,
von durchaus transcendentem Charakter, sie gipfelte in einem
innerlichen, von jeder äufseren Autorität unabhängigen Glauben
und wendete sich ebenso gegen die an dem Buchstaben der Schrift
hängenden frommen, als die in sozialistischer Träumerei be
fangenen Umsturzmänner. Es ist nun Denk keineswegs gelungen,
diese Parteien zu Gunsten einer dritten gemäfsigten Richtung zu
vereinigen oder auch nur eine derselben zum Schweigen zu bringen.
Es konnte dies schon deshalb nicht sein, weil die Denkschen
Ideen ihren Flug weit über den Gesichtskreis der grofsen Masse
nahmen, aus denen sich die Frommen und die Radikalen rekru
tierten, und weil das durch das innerste Wesen dieser Ideen be
dingte philosophisch-spekulative Gewand nur eine Religion der
Gebildeten sein konnte. So sehen wir denn mit dem Erscheinen
Denks in Strafsburg im Oktober 1526 neben den beiden bereits
vorhandenen Richtungen des Täufertums eine dritte, die Religion
der freien Täufer in die Aktion treten.
Mit aller Macht strebten die lutherischen Prediger Strafsburgs
darnach, den Einflufs, welchen Denk insbesondere in den besseren
Bürgerkreisen in überraschend kurzer Zeit gewonnen hatte, zu