Volltext: Das Bildungswesen im neuen Deutschland [37]

organisatorische Änderungen. Wir werden erst dann von einem 
wirklichen nationalen Bildungswesen reden dürfen, wenn alle 
Bildungsstoffe zuerst daraufhin geprüft werden, welche Bedeutung 
sie für die deutsche Kultur haben. Keinerlei Rücksicht auf Fremdes 
darf in den Schulen der Zukunft Zeit und Raum für den deut¬ 
schen Bildungsstoff verkürzen, das „Wissen vom deutschen Volke" 
muß erstes und oberstes Ziel sein. Alle Reformen des höheren 
Schulwesens sind bisher so verlaufen, daß man zuerst für die 
Bergung des Fremden sorgte und dem Deutschen dann den 
kümmerlichen Rest der Zeit zuwies. Mit elementarer Gewalt 
wird aber in Zukunft die deutsche Bildung ihr Recht geltend 
machen und die Pädagogik zwingen, den umgekehrten Weg ein¬ 
zuschlagen. Es bedarf keines Wortes darüber, daß die geistige 
Berührung mit anderen Kulturvölkern aufrechterhalten werden 
muß, schon unsere Stellung als Weltvolk erfordert das, und aus 
tieferen Gründen wollen wir die Befruchtung unserer Kultur durch 
die Einflüsse fremder gewiß nicht entbehren. Wie eine Gruppe der 
Gebildeten den Zugang zu den Quellen des Altertums offen erhalten 
muß, so muß eine andere für den internationalen Geistesverkehr fähig 
gemacht werden. Aber der Bildungsbegriff wird nach der Rich¬ 
tung hin revidiert werden, ob für jede Art der höheren Bildung 
das fremdsprachliche Element in dem bisher festgehaltenen Am¬ 
fange notwendig ist. Für die große Mehrzahl der Deutschen 
wird eine bodenständige deutsche Bildung das Ziel werden. Für 
sie wird die Zukunft einen neuen Typus der höheren Schule 
schaffen, der vollständig gleichgeordnet, d. h. gleichwertig und gleich¬ 
berechtigt neben die jetzt bestehenden höheren Schulen tritt, eine 
deutsche höhere Schule, in der das gesamte deutsche Kulturgut 
in seiner ganzen Fülle und in allen seinen Verzweigungen in 
dem beherrschenden Mittelpunkt des Anterrichts steht. Sie wird 
sich organisch aus der deutschen Volksschule entwickeln, sie wird 
die höhere Schule sein, auf der namentlich auch die deutschen 
Volksschullehrer ihre Bildung empfangen. 
Diese deutsche höhere Schule ist seit langer Zeit die Sehn¬ 
sucht von vielen unserer besten Männer. Schon Äerder beklagte 
es in seiner Werdezeit, daß das deutsche Volk „unter dem Joche 
der römischen Wissenschaft leide", daß ihm „seine hohe und edle 
Originaldenkart" geraubt worden sei. Für Jakob Grimm be¬ 
deutete es „Annatur, daß ein vaterlandsliebendes, ich will hoffen, 
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