Volltext: Das Bildungswesen im neuen Deutschland [37]

Pflichten gegen den Staat und zu einem vernünftigen Gebrauch 
ihrer staatsbürgerlichen Rechte, zur Einsicht in die Aufgaben des 
Staates und zu dem lebendigen Gefühl der Verantwortlichkeit, 
daß jeder an seinem Teil zum Wohle der Gesamtheit an der 
Verwirklichung des Staatszweckes mitzuarbeiten hat. Über allen 
Gründen steht aber der oben geschilderte Zusammenhang zwischen 
Wehrfähigkeit und Bildung gegenwärtig obenan. 
So schwerwiegend sie aber in ihrer Gesamtheit sind, sie 
reichen doch nicht aus, um die Notwendigkeit einer reichsgesetzlichen 
Regelung des gesamten Schulwesens zu erweisen, ja, es erheben sich 
zahlreiche Gegengründe. Zunächst muß die Tatsache hervorgehoben 
werden, daß das Reich die schulgesetzlichen Bestimmungen der 
Einzelstaaten, die es vorfand, als hinreichende Garantie für das 
Bildungsmindestmaß seiner Bürger ansehen konnte. Zudem hat 
sich das Schulwesen in den einzelnen Bundesstaaten in verschie¬ 
denen Richtungen und zu verschiedener Äöhe entwickelt. Diese 
Verschiedenheit ist zu einem guten Teile in der Verschiedenheit 
der Volksindividualität begründet und hat darum etwas Berech¬ 
tigtes. Landschaftliche Eigenart, Hauptbeschäftigung, wirtschaftliche 
Lage sind von tiefgehendem Einfluß auf die Beweglichkeit des 
geistigen Lebens und das Bildungsbedürfnis, also auch auf die 
Bildungsmöglichkeit. Bildungsangelegenheiten können sich in ge¬ 
sunder Weise nur entwickeln in engem Anschluß an alle diese in 
den einzelnen Bundesstaaten verschiedenen Voraussetzungen. Alles 
Schablonisieren und Aniformieren könnte hierin geradezu verhängnis¬ 
voll werden. Denn Bildung ist ihrem eigentlichen Wesen nach 
immer etwas Individuelles, wie im einzelnen Menschen, so in 
den einzelnen Volksstämmen. 
Zwei weitere Schwierigkeiten, die bildungspolitisch von weit¬ 
tragender Bedeutung sind, mögen hier nur angedeutet werden. Die 
eine liegt in der konfessionellen Verschiedenheit, die andere in der 
Frage der Schullasten. Ein Reichsschulgesetz ohne Übernahme der 
staatlichen Schullasten auf das Reich ist nicht wohl denkbar. Welche 
schwerwiegenden Probleme dabei auftauchen, lehrt ein Blick auf 
die oben mitgeteilten Ergebnisse der sinanzstatistischen Untersuchung 
Sevins, und die Probleme werden noch schwerer, wenn man an 
die ungeheuren Kriegskosten denkt, die dem Vaterlande jetzt er¬ 
wachsen, und an die erhöhten Rüstungsausgaben, die es in Zukunft 
wird auf sich nehmen müssen. 
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