Gemeinden die Befugnis erteilt wurde, durch ortsstatutarische
Bestimmungen Fortbildungsschulen einzurichten, und ein weiterer
Nachtrag ermächtigte 1911 die höheren Verwaltungsbehörden, die
Gemeinden zur Errichtung von Fortbildungsschulen zu zwingen.
Es bestehen also vielseitige Beziehungen zwischen Reich und
Schule, und gerade der herrliche nationale Aufschwung der Gegen¬
wart legt die Frage nahe, ob diese Beziehungen nicht enger zu
knüpfen und verfassungsmäßig zu befestigen seien. Tatsächlich ist
diese Frage seit langer Zeit erörtert worden, und zwar mit be¬
sonderer Rücksicht auf das Volksschulwesen. Der Reichsschul¬
gedanke hat schon in den Einheitsbestrebungen der vierziger Jahre
eine wichtige Rolle gespielt, und nach der Reichsgründung sind
viele Stimmen laut geworden, die es als eine Lücke in der Neichs-
verfassung bezeichneten, daß das nationale Bildungswesen nicht
in sie einbezogen und also das Reich in einer für die nationale
Entwicklung doch außerordentlich bedeutungsvollen Angelegenheit
von allem Anfang an zur Antätigkeit verurteilt worden sei. Die
deutsche Lehrerschaft hat sich wiederholt eingehend mit der Frage
beschäftigt und ist dafür eingetreten, daß das Schulrecht wenig¬
stens bis zu einem gewissen Grade der Reichsgesetzgebung ein¬
zuordnen sei. In den letzten Jahren hat die sozialdemokratische
Partei bei der Beratung des Etats der Reichsschulkommission
im Reichstag wiederholt den Antrag auf reichsgesetzliche Regelung
des Volksschulwesens gestellt.
Es bedarf kaum eines Wortes darüber, daß das Reich an
der Bildung seiner Bürger ein tiefgehendes Interesse hat und
haben muH, und zwar aus den verschiedensten Gründen: aus
einem allgemeinen ethisch-kulturellen Grunde, um ihnen den Genuß
der höheren Güter der Kultur in immer weiterem Amfange zu¬
gänglich zu machen, dadurch ihr Dasein zu veredeln und sie gleich¬
sam auf eine höhere Stufe der Menschlichkeit zu erheben; aus
einem volkswirtschaftlichen, um durch erhöhte Bildung der Massen
ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu steigern, auf der zu einem
guten Teil die Macht des Reiches beruht; aus einem sozialen,
um die ständische Zerklüftung des Volkskörpers wenigstens in
etwas zu mildern; aus einem nationalen, um durch eine gewisse
Vereinheitlichung des geistigen Lebens das Gefühl der nationalen
Zusammengehörigkeit zu stärken; aus einem politischen, um die
Menschen geistig reifer zu machen zur bewußten Erfüllung ihrer
19