Volltext: Unserer lieben Frauen Opferung

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’ 3. Unsrer lieben Frauen Einkehr. 
Um die nun folgenden Schilderungen besser verstehen zu können, müssen 
wir ein wenig unser Augenmerk auf die Verhältnisse in Oberitalien und 
insbesonders im damaligen Herzogtum Mailand richten. Dort regierte am 
Ausgang des 14. Jahrhunderts das mächtige Adelsgeschlecht der Visconti. 
Im Jahre 1311 legte der von Kaiser Heinrich VII. eingesetzte Reichsvikar 
Matteo den Grund zur späteren Macht dieser Adelsfamilie. Ihr Länderbesitz 
steigerte sich zusehends. Schon 1350 sehen wir sie im Besitze fast der ganzen 
Lombardei und Piemonts. 1385 verlangt ihr glänzendster Sprosse Gian 
Galeazzo vom bedrängten Papste Urban VI. zu Genua ungestüm den Königs 
titel. Da ihm dieser wegen des an seinem grausamen und verschwenderischen 
Oheim Barnabo eben verübten Giftmordes verweigert wird, erkauft sich der " 
durch seine Eroberungen bereits übermächtige Fürst um 200.000 Goldgulden von 
König Wenzel IV. die Herzogswürde, die ihm als einem mit den übrigen 
Fürsten gleichberechtigten Lehensmanne des deutschen Reiches kluch am 11. Mai 
1395 übertragen wird. Ein weiteres Zeichen der Huld seines königlichen 
Gönners war die ihm ein Jahr später übertragene Reichsgrafenschaft von 
Pavia. Da alle diese Akte ohne Befragung der Reichsfürsten geschahen, deren 
Einwilligung gemäß den Bestimmungen der goldenen Bulle bei wichtigeren 
Änderungen im Besitzstände des deutschen Reiches eingeholt werden mußte, 
hatten die üblen Folgen dieser willkürlichen Handlungsweise Wenzel IV. 
ebenso wie Gian Galeazzo zu tragen. Nichtsdestoweniger schritt letzterer auf 
der Bahn des Ruhmes vorwärts. Padua, Pisa, Spoleto, Feltre und Bologna 
mußten sich seinem Szepter beugen. 1401 siegreich gegen Ruprecht von der Pfalz, 
ist er eben daran, die Erfüllung seiner Lebensträume zu schauen. Doch bevor 
es ihm gelingt, sich die heiß ersehnte Königskrone des von ihm in Wirklichkeit 
schon beherrschten Oberitalien aufs Haupt zu setzen, rafft den eben mit 
Bonifaz IX. und seinen Todfeinden, den Florentinern, in Krieg verwickelten 
Herzog plötzlich eine Seuche hinweg (1402)st. Joh. Bapt. v. Weiß * 2 3 ) schildert 
ihn als einen unternehmenden, klugen, in seinen Mitteln jedoch rücksichtslosen 
Herrscher. Im Privatleben war er habsüchtig, wie die meisten Fürsten seiner 
Zeit. Wenn es jedoch Hebung seiner Macht, Förderung von Kunst, Wissenschaft, 
Industrie oder Handel galt, so gab er mit vollen Händen. Zeugen dieses 
seines fürstlichen Sinnes sind der unter ihm (1387) begonnene herrliche Dom 
von Mailand und die von ihm 1396 gestiftete Karthause (Certosa) von Pavia«) 
st Vgl. Seb. Brunner, Venediger- und Longobardenland, pag. 232 f. Wien 1860. — 
Damberger, Synchron. Geschichte XV. Regensburg 1860. pag. 797. 
2 ) Weltgeschichte VI. Graz 1891. pag. 652. 
3 ) 8 km nördl. von der Stadt. Sie wurde schon 1398 von den ersten 25 Mönchen be 
zogen. Die sehr reiche Baustiftung Gian Galeazzos wurde nach Vollendung des 
Baues 1542 für die Armen verwendet. Das Kloster, das jährlich 100.000 Taler Stiftungs 
einkommen hatte, wurde von Josef II. 1782 aufgehoben. 1848 von Kaiser Ferdinand (Dekr. 
vom 17. Juni) wiederhergestellt, verfiel es 1866 durch die ital. R.grerung abermals der 
Säcularisation und gilt heute als „Nationaldenkmal".
	        
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