Volltext: Wo stehen wir? [19]

nationalen Gefühlen und Idealen, von dem Streben, das national 
Zusammengehörige staatlich zusammenzuschließen. Der Staat 
empfand sich nun als die natürliche Form einer organischen 
Volkseinheit und wurde von deren Kultur und von deren 
Leidenschaft bewußt durchdrungen. So war oder wurde es in 
den alten Reichen, Frankreich, England, auch Rußland; so 
ward es in den neuen, Deutschland und Italien, Nordamerika 
und Japan. Nur Österreich, der Staat des Völkergemisches, 
blieb in den alten, rein staatlichen Formen stehen. Das 19. Jahr¬ 
hundert aber hat den Staat durch das Gefühl der Nation 
beseelt; die gewaltigen Kämpfe der Jahrhundertmitte brachten 
die neue Form zur Vollendung. 
And alsbald schritt die Entwicklung weiter. Der absolu¬ 
tistische Staat der Vergangenheit, der nationale Volksstaat des 
neuen Jahrhunderts wurde in dessen letztem Viertel zum Welt- 
staat. Das war nichts Neues: es war einfach das Weiter¬ 
wachsen der bestehenden großen Mächte. Sie kennen die 
Reihe: ein Wachstum der Produktion und der Volkszahl, 
in steter Wechselwirkung; ein Wachstum, dem entsprechend, des 
Bedürfnisses nach Nahrung und Absatz, nach Bewegung und 
Sicherheit draußen in der Welt; entsprechend ein Wachstum 
des politischen Ehrgeizes, des politischen Strebens hinaus; und, 
von alle dem untrennbar, das Wachstum des seelischen Ehr¬ 
geizes der großen Völker: sich und ihre Macht und auch ihr 
Wesen zu dehnen und zu betätigen im Wettbewerbe nach 
außen hin. Die Nationen sind, innerlicher Kräfte bis zum 
Rande voll, einfach über ihre Grenzen hinübergeflossen, in die 
weite Welt hinein. Wir haben es erlebt: die Erde wurde 
eine Einheit — eine Einheit von Gegensätzen, eine von ein¬ 
heitlichen, erdumspannenden Gegensätzen zerrissene Einheit: 
eine Einheit der Arbeit, des Verkehrs, des Kampfes. Große 
Kolonialreiche sind dem britischen nachgefolgt; alle, die lebendig 
sind, alle die starken nationalen Staaten sahen wir so hinaus¬ 
schreiten, England, Amerika, Rußland, Japan; auch Frankreich, 
trotz beginnender Dürre, auch Italien, trotz der noch nach- 
8
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.