Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

steigend, sinkend, wechselnd, im ganzen sich immer gleich: große 
Staaten, jeder mit besonderem Antlitz, die alten, Frankreich, 
Österreich, England, die neuen, Rußland und Preußen, zuletzt 
Deutschland und Italien. Manche sind hingeschwunden, andere 
vorgetreten. In diesem Rahmen hat sich immer das europäische 
Gesamtleben bewegt. And immer sind sie aufeinander gestoßen. 
Denn jeder dieser Großstaaten strebt über sich selber hinaus, 
nach seinen geographischen, wirtschaftlichen, staatlichen Bedürf¬ 
nissen, nach seinem eigenen Temperamente, nach seinem besonderen 
Geiste, seiner besonderen Geschichte. Immer ist inneres Leben und 
äußeres Weiterstreben eng verklammert gewesen, und der Drang 
nach außen, nach Selbsterhaltung, Selbstbetätigung, Selbst¬ 
erweiterung war immer eine Notwendigkeit, eine Natureigenschaft 
dieser Staaten, ein Zeichen von Gesundheit und Lebendigkeit; 
sein Wegfall bedeutet Erlahmen und Absterben. And Krieg 
ist, seit Menschheitsgedenken, die Form dieser Lebendigkeit 
gewesen. Fast alle großen inneren Änderungen und Fort¬ 
bildungen sind an den Krieg gebunden gewesen; immer wieder 
war er der große Beleber und Regulierer und der große Zer¬ 
störer — der dem Lebenden Durchbruch, dem Absterbenden 
Antergang gebracht hat. Eine Kette großer Zusammenstöße 
schlingt sich durch die Jahrhunderte von 1500 bis 1800 hin — 
ich nenne die Namen Karls V., Gustav Adolfs, Ludwigs XIV., 
Peters und Friedrichs des Großen und zuletzt des ersten 
Napoleon. Da haben nicht Zufälligkeit oder Laune geherrscht; 
stets waren die inneren Kräfte, die Kräfte der Wirtschaft 
und Gesellschaft, der Verfassung und Kultur, an diesen großen 
Reibungen der Staatengesellschaft, an dieser Entfaltung 
der einzelnen Staaten handelnd und bestimmend beteiligt. In 
jenen Jahrhunderten, bis über die Schwelle des neunzehnten 
hinüber, waren diese Staaten von Fürsten gelenkt; aber auch 
diese waren in der Hauptsache einfach Organe ihrer Staaten 
und Völker. Das 19. Jahrhundert führte die Selbstbestimmung 
oder die Mitbestimmung der Völker herauf. Aus den großen 
absolutistischen Staaten wurden die nationalen, erfüllt von 
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