Volltext: Wo stehen wir? [19]

politischen mehr als von wirtschaftlichen Kräften. Unsere Politik 
hat diesen Eroberungsdrang nach außen lange gefördert. 
Trotzdem blieb Frankreich unser Todfeind; es hat seit 1871 
unablässig auf neuen Kampf gesonnen. Nicht als Weltmacht, 
obgleich wir auch draußen aufeinander stießen, sondern als 
europäische Macht: Elsaß-Lothringen blieb der Antrieb. Lier 
in Frankreich hat der stete Zündstoff gelagert, hier stand der 
stete Äelfer jedes möglichen Gegners für Deutschland, der stete 
Wühler und Treiber. Ob es jetzt durch Erfahrung, durch eine 
Zerbrechung, durch einen harten Stoß belehrbar und bekehrbar 
werden wird? Wir werden es sehen — aber wir dürfen es 
bezweifeln. Jedenfalls: es ist unser nächster, historisch sicherster 
Feind; 1914 ist darin die Erbschaft der Jahre von 1864—1871. 
Der Gegensatz ist einfach, elementar, er hat, über alle Personen 
und Parteien hinweg, festgestanden. Eben deshalb ist es ein 
Gegensatz auf Leben und Tod, der ausgefochten werden wollte. 
Längst wuchs der russische hinzu: auch er ein un¬ 
mittelbares Erbe der Bismarcktat, der Reichsgründung. Gort- 
schakow wurde früh unser Gegner; das neue Deutschland, 
dessen Aufstieg Kaiser Alexander II. gedeckt hatte, wurde der 
russischen Macht als eine starke mitteleuropäische Macht bald 
unbequem. Das wurde brennend, sobald Rußland den Kampf 
mit Österreich um die slawische Vorherrschaft, um die Balkan¬ 
herrschaft wieder aufnahm: da stieß es auf Deutschland, da 
warb es um Deutschland, da erhielt es von Deutschland, seit 
Gortschakows erster Frage an Bismarck im Jahre 1876, die 
stets erneute Antwort, daß Österreichs Dasein für uns unent¬ 
behrlich sei; es kam, als Deckung gegen Rußland, der Zwei¬ 
bund und die Kriegsgefahr von 1879. Auch hier also ein 
alter Quell von europäischer Art. And seitdem ist der Gegen¬ 
satz geblieben: er hat geschwankt, er hat sich erweitert, Rußland 
ist — auch durch uns — in den äußersten Osten abgelenkt 
worden, wir haben seine Freundschaft, zum mindesten ein gutes 
Verhältnis zu ihm gesucht. Aber im Grunde blieb es immer 
schlecht. Immer wendete sich Rußland wieder auf den Balkan 
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