Volltext: Die Stellung des Papsttums im Weltkriege [76]

Der Kirchenstaat bildete, seitdem er bereits 1797 vor dem 
Ansturm der französischen Revolution zusammengebrochen und 
dann auf dem Wiener Kongreß 1815 nur zu künstlichem Leben 
wieder erweckt worden war, mit seiner geistlichen Regierung, seiner 
patrimonialen Staatsaussassung einen tatsächlich Reformen feind- 
liehen Anachronismus. Erschüttert durch wiederholte Revolutionen 
(1831 und 1848), ward er während Pius' IX. Pontifikat ledig¬ 
lich gehalten durch fremde Truppend«) Tatsächlich war damit der 
päpstliche Staat kein wirklicher Staat mehr. Dem überall fich 
siegreich geltend machenden Rationalitätsprinzip widersprach das 
Gebilde einer geistlichenWahlmonarchie, und doch war jenes Prinzip 
insofern bereits in diese Wahlmonarchie eingedrungen, als seit 
dreieinhalb Jahrhunderten kein Richt-Jtaliener Papst auf italieni¬ 
schem Boden geworden war. Jener Widerspruch zwischen leben¬ 
digem Nationalitätsempfinden und starrem Priestertum kennzeich¬ 
net Papst Pius' IX. Persönlichkeit und Regierung in ihrer ganzen 
Tragik. 
Pius selbst hat sich am 26. April 1871 gegenüber dem fran¬ 
zösischen Botschafter Marquis d'Larcourt nach dessen Be- 
richte") entsagungsvoll geäußert: „Die Souveränität kann man 
in unserer Zeit nicht wieder anstreben; ich weiß das besser als 
sonst jemand. Alles, was ich wünsche, ist ein kleines Stück Land, 
wo ich Äerr sein würde. Böte man mir die Rückgabe meiner 
Staaten an, so würde ich sie ablehnen. Aber solange ich diesen 
Erdenwinkel nicht habe, kann ich meine geistlichen Funktionen 
nicht in ihrer vollen Ausdehnung ausüben." 
Von den anderen weniger bemerkenswerten weiteren Projekten 
knüpften einzelne an die Überlassung eines kleinen Territoriums an. 
Entweder als Annex des Vatikans, ohne weitere Berührung Noms 
und der Leonina, eine kleine Stadt, welche alle mit dem Vatikan 
in Verbindung stehenden Behörden, so die Ordensgeneralate, die 
Propaganda, die katholische Aniversität, umfassen würde, unab¬ 
hängig und isoliert wie die Republik San Marino, oder ein 
Territorium irgendwo innerhalb oder außerhalb Europas, auf 
Grund dessen der Vatikan als exterritorial gelten könnte, der Papst 
als stets im Ausland lebender Souverän?") 
Sodann die Idee des Senators Stefano Jaeini, die An- 
Wendung des internationalen Neutralitätsprinzips auf den Heiligen 
Stuhl, wodurch dem Papste der Genuß der Souveränitätsrechte, 
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