Volltext: Geschichte des Badeortes Ischl

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Armen zu Weihnachten noch einen Gro 
schen haben toütbe. 250 ) 
Am 31. März starb eine bekannte 
Persönlichkeit ans Ischls nächster Nach 
barschaft, der Bauernphilosoph Konrad 
Deubler. Heute, wo eine Straße Ischls 
sin der Kaltenbach-Au) seinen Namen 
trägt, sei auch in kurzen Zügen seiln 
Lebensbild entworfen, da er gerade hier 
viele Freunde und Anhänger hatte. Im 
Hause des Bürgermeisters Franz Koch 
war er ein gern gesehener Gast. Schon 
während der 50er Jahre gehörten die 
Ischler Bürger Berger, Gähner, Stein 
brecher, Muh, Heiß, und die Gebrü 
der Schmalnauer zu seinen wärmsten 
Freunden, Männer, die gleich Deuöler 
selbst, wegen ihrer für die damaligen 
Zeitverhältnisse zu freien Weltanschau 
ung gemaßregelt wurden. Deubler wur 
de am 21. Februar 1814 zu Goisern 
geboren. Sein Bater war Bergarbeiter 
und besah ein kleines Häuschen sowie 
eine bescheidene Mühle in der Nähe 
von Lauffen. Er war das einzige Kind 
und wurde daher schon frühzeitig zur 
Erlernung des Müllergewerbes angehal 
ten. Der junge Deubler wurde zuerst 
Mühlenbesitzer zu Hallstatt, verkaufte 
aber bald dort seinen Besitz und über 
siedelte nach Goisern, wo er ein Gast 
haus (Warthburg) nebst Bäckerei er 
warb. Hier arbeitete er an seinen ersten 
Entwürfen und Auszeichnungen, philo 
sophierte mit Einheimischen und Frem 
den und erregte durch seine Ansichten 
großes Aufsehen, war doch sein Den 
ken durch die philosophischen Werke 
Feuerbachs schon stark beeinflußt. Der 
Wiener Schriftsteller Saphir, der all 
jährlich den Sommer in Ischl verbrachte, 
fühlte sich veranlaßt, diesem gebildeten 
Bauern einen Besuch abzustatten, um 
sich über dessen Philosophie zu unter 
richten. Saphir hat freilich den Ge 
dankengang des Bauernphilosophen nicht 
richtig erfaßt, sondern er benützte die 
sen Besuch nur dazu, um sich im „Hu 
moristen", dessen Herausgeber er war, 
mit seinem zersetzenden Witz darüber 
lustig zu machen. „Dumme Briefe über 
meine Reise vom Ausnahmszustande in 
das Innere des Naturzustandes" beti 
telte er seine Aufzeichnungen hierüber. 2 ^) 
Jetzt mit einem Schlage wurden die 
Staatsmänner auf diesen Freidenker im 
Bauernkittel aufmerksam. Durch 3 Jahre 
wurde der Bauernphilosoph strenge be 
obachtet, im Mai 1853 um Mitternacht 
verhaftet, seine Wohnung untersucht, die 
Schriften konfisziert. Wegen Hochverra 
tes und Religionsstörung wurde Deub 
ler durch. 4 Jahre am Spielberg zu 
Brünn gefangen gehalten — ein trau 
riger Beweis, daß Metternichs System 
auch nach seinem Sturze (1848) in Oester 
reich noch nicht gebrochen war. Wie 
Deubler zu jener Zeit zu Mute war, ist 
aus einem seiner Briefe zu entnehmen. 
„Mein menschliches Herz ist zerbrochen, 
mein Ideal zertrümmert!" Zu seinen 
Richtern sagte er: „Nie will ich Gnade, 
ich will Gerechtigkeit! Gnade gehört 
bloß für Verbrechen!" Erst im März 
1857 durfte er wieder zu den Seinen 
zurück. Die „Warthburg" übergab er 
nun seiner Ziehtochter Nandl und zog 
auf sein Tusculum, den Primesberg bei 
Goisern. Hier besuchten ihn die Phi 
losophen Ludwig Feuerbach und Ernst 
Häckel, der mit Deubler die 2. Auflage 
seiner Anthropogenie besprach, hieher 
richtete David Strauß seine Briefe, auch 
Rosegger pilgerte auf den Primesberg. 
Deubler war nun ein gemachter Mann. 
Freilich hat man in letzter Zeit vielfach 
wieder den entgegengesetzten Weg ein 
geschlagen und Deubler zu einem gro 
ßen Philosophen stempeln wollen, was 
auch nicht zustimmend ist. Er war si 
cherlich ein Heller Kopf. — Er hatte 
sich erst als 18jähriger die Kenntnis 
des Lesens und Schreibens angeeignet, 
aus eigenem Antriebe in die verschie 
densten Philosophen eingearbeitet, eine 
bewunderungswürdige Tat für einen 
Mann ohne jede Vorbildung. Liest man 
aber seine Schriften, die Prof. Dodel- 
Port herausgegeben hat, 2 » 2 ) so fühlt man 
gar bald, den Mangel eines einheit 
lichen philosophischen Systems. Seine 
fragmentarische Erkenntnis der vollen 
Wirklichkeit beruht auf einer zu stark be 
tonten Subjektivität. Gekränkt durch die 
bitteren Erfahrungen, die er erleben 
mußte, kommt es begreiflicher Weise zu 
einer Art Widerhaarigkeit von gekränk 
tem Standesbewuhtsein. Sein System 
kennzeichnete Deubler selbst in den Ver 
sen, die er für seinen, kurz vor seinem 
Tode angefertigten Grabstein setzte: 
Der Geist ist eine Eigenschaft des Stof 
fes. 
Er entsteht und vergeht mit ihm. 
Run lebe wohl, du schöne Welt, 
Du liebe Sonne und ihr ewigen Sterne, 
Meine Augen sehen euch nie wieder. 2 » 2 ) 
Die Kaiserbegegnung fand dieses 
Jahr am 6. August statt. Kaiser Wil 
helm war in Begleitung Heinrich des 
XVm., Prinzen zu Reuh, gekommen. 
Das Theater war in ein von kaiserlicher
	        
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