Volltext: Geschichte des Badeortes Ischl

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diesen Opernaufführungen wirkten 68 
Personen mit. Aus dem Männerge 
sangverein ging in den späteren Jah 
ren auch die bürgerliche Liedertafel her 
vor. 
Während des Sommers 1920 spielte 
an bestimmten Tagen die Salinenka 
pelle in Ermangelung einer Kurmusik. 
2m Theater wirkte der hiesige von Fri 
seur Zerbs ins Leben gerufene Thea- 
ter-Dilettanten-Verein und brachte vor 
allem Stücke von Anzengruber und Er- 
hardt zur AufDhrung. Die Saison er 
freute sich diesmal infolge günstigerer 
Einreisebewilligungen eines starken Be 
suches ; 537 ) kein Preis für eine Woh 
nung war zu teuer, alle Betriebe waren 
gedrängt voll, freilich hatte sich die Ge 
sellschaftsklasse ganz geändert, es waren 
zum Großteil die neuen Reichen, die 
allerdings bas Geld mit vollen Hän 
den ausgaben, aber einen neuen gesell 
schaftlichen Charakter in Mode brachten. 
Während der Abendstunden wimmelte 
es bei „Zauner" im Rathausstüberl des 
Hotels Elisabeth, in der Weinstube Att- 
wengers und in der neuen Amerikanbar 
des Hotels Kreuz, einem ganz beson 
deren, der Zeit entsprechenden Anzie 
hungspunkt. von Nachtschwärmern. Ein 
ähnliches Nachtleben wie in der Wie 
ner Kärntnerstrahe setzte im nächtlichen 
Ischl ein, wo man aus den Vergnü 
gungslokalen „Salome" von Stolz oder 
andere Negerweisen ertönen Hörte. Viel 
besucht wurden die Nachmittags- und 
Abend-konzerte des Künstlerquartetts 
Auber, welches auf der Kurhausterrasse 
spielte. Die in diesem Sommer zum 
erstenmal gepachtete kaiserliche Schwimm 
schule, welche nur für Damen zugäng 
lich- ist, sowie die in der Nähe befind- 
lichen ehemaligen kaiserlichen Tennis 
plätze erfreuten sich- eines großen Zu 
spruches. Frau Marie Valerie Habs 
burg und ihre Schwester Prinzessin Gi 
sela von Bayern verbringen seit diesem 
Sommer wieder mit ihren Familienan 
gehörigen still und zurückgezogen ihren 
Sommeraufenthalt zu Ischl. 
Zu Anfang des Septembers traf 
das Salzkammergut eine Hochwasserla- 
tastrophe. wie eine solche hier noch nie 
mals erlebt wurde. Das Hochwasser er 
reichte am 4. September seinen Höhe 
punkt. Während der Nacht war die 
Traun mit ungeheurer Schnelligkeit ge 
stiegen. Manche Leute im Gries konn 
ten im letzten Augenblick nur durch Dach- 
öffnungen in die Rettungsschiffe gebracht 
werden. Die ganze Nacht hindurch wur 
de das unheimliche Tosen der Traun 
durch Rufe aus dem Gries und Was 
seralarmsignale unterbrochen. Am Vor 
mittag flutete diesmal selbst durch die 
Pfarrgasse ein breiter Strom zum Fer 
dinands-Platz und ergoß sich dann in 
Kaskaden in den Rudolfspart. In den 
Eeschäftslokalen des Buchdruckerei-Be- 
sitzers Georg Plasser an der Esplanade 
hatte das eingedrungene Wasser einen 
Höchststand von 1.60 Meter erreicht. Das 
Hotel Elisabeth war von allen Seiten 
umspült, ebenso der Gries, wo sich auf 
den von der Traun einmündenden Stra 
ßen bei dem eben sehr geschmackvoll 
adaptierten Gasthof „zum Goldenen Och 
sen" und beim Fleischhauer Hippesroi- 
ther reihende Wassermahen ergossen. Die 
Kaltenbachau war in einen See ver 
wandelt, das Wasser der Traun über 
spülte bereits die dortige Eisenbahn 
brücke, der Güterbahnhof stand einen 
Meter unter Wasser, bei dem Hause 
des nahe am Afer wohnenden Leb 
zelters Tausch rann das Wasser beim 
Balkon in den ersten Stock. Die Stein- 
feldbrücke und mehrere Holzbrücken an 
der Ischl wurden völlig zerstört. Die 
Salzbur gerstrahe stürzte ein Stück außer 
halb des früheren Brauhauses teilweise 
ein. Der Solenweg auf der Ebenseer- 
strahe und diese selbst wurden grauen 
haft verwüstet. Die Straße war mehrere 
Meter tief ausgehöhlt, die Mauern der 
Traunverbauung ragten nun wie be 
stürmte Festungsmauern in die Höhe. 
Selbstverständlich waren die Staats- und 
Lokalbahn an vielen Stellen arg be 
schädigt, so daß durch längere Zeit je 
der Bahnverkehr ' ausgeschlossen war. 
Da auch die Ebenseerstraße anfangs völ 
lig unterbrochen war, dauerte es längere 
Zeit, bis ein provisorischer Postverkehr 
auf der Straße einsetzen konnte. War 
das Hochwasser schon fürchterlich ge 
nug, so hätte es noch größeren Am 
fang angenommen, wenn nicht Hote 
lier Karl Seeauer selbst mit einigen 
beherzten Leuten die Schleusen der von 
schäumenden Wogen umbrandeten 
Traunwehre geöffnet hätte, um ein ra 
scheres Abfließen des Wassers zu er 
möglichen. Als sich- am 5. September 
endlich- die Sonne zeigte und das Wasser 
merklich zu sinken begann, wurde auf 
einmal die Schreckensbotschaft ausge 
streut, der Damm des Gosausees sei 
durchbrochen und eine noch größere 
Aeberflutung werde sich in wenig Stun 
den über den Ort ergießen. Mit fieber 
hafter Eile suchte man die tiefer gele-
	        
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