Volltext: Über die gewerbliche Schulbildung

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tiger, theoretisch gebildeter Weber unterrichten soll, könnte einge 
wendet werden: „Das ist ja unnütz; es ist lächerlich, wenn man 
in einer Schule durch einen wöchentlich zweistündigen Unterricht je 
manden weben lernen will!" — Wenn man Das wollte, so wäre 
es freilich lächerlich; doch so etwas läge gewiß nicht im Plane. 
/ Jedermann weiß, daß der Lehrling bei seinem Meister weben 
lernt; aber das Verständniß einer Zeichnung, das „Einziehen der 
Werke", die verschiedenen „Schnürungen", das „Auszählen der Stoffe" 
und die „Bestimmung des Conto", die genaue Kenntniß des Stuhles 
und der mannigfaltigen Hilfsmaschinen, das Zeichnen einer „Carta 
rigata" — dieß Alles soll der Lehrling auch einmal sich eigen ma 
chen; bei seinem Meister, in der Fabrik lernt er es nicht oder 
höchst selten einer. Ein tüchtiger Weber läßt sich aber nach dem 
jetzigen Stande der Weberei ohne jene Kenntnisse nicht mehr den 
ken; deßhalb hat man im Auslande,,;. B. zu Chemnitz, in Elber 
feld, schon vor längerer Zeit Weberschulen errichtet, welche in mehr 
jährige Kurse eingetheilt sind und nicht nur das Weben am Stuhle 
selbst, sondern die Kenntniß der Stühle und Maschinen, das Zeich 
nen, die Kenntniß der Waare, kurz alles das lehren, was ein 
Weber wissen muß, der den Forderungen der Zeit gehörig entspre 
chen will. In richtiger Erwägung dessen, hat auch der n. ö. Ge 
werbeverein in Wien bereits zwei Weberschulen, eine in der Vor 
stadt Schottenfeld, die andere in Gumpendorf errichtet, und es wird 
der große praktische Nutzen dieser Schulen von allen Fachmännern 
einstimmig anerkannt und gepriesen. — 
Ich lasse Belege für die Nothwendigkeit von Fachschulen aus 
dem Gebiete der Gewerbe mit technischer Färbung (Maurerei, Zim 
merei, Tischlerei, Schlosserei ec.), bei welchen sie ohnehin schon 
längst anerkannt ist, bei Seite, und will nur noch ein Beispiel 
von einem Jedermann sehr bekannten Gewerbe hernehmen, für wel 
ches man bisher in Oesterreich das Bedürfniß einer höheren Fach 
bildung der Lehrlinge noch wenig gefühlt haben mag, ich meine 
das Gewerbe der Männerkleidermacher. 
Eine Fachschule für „Männerbekleider" wird viele Vorurthcile 
gegen sich haben. Man wird unter andern sagen: „Soll denn 
der Meister nicht im Stande sein, dem Lehrling alle Kenntnisse 
und Fertigkeiten seines Gewerbes beizubringen? Wozu dann die 
Fachschule? 
Ich bezweifle keineswegs, daß die meisten Schneidermeister in
	        
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