Volltext: Weltpolitisches Wanderbuch 1897-1915

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dieser Stelle über unser deutsches Wesen nachzudenken, ahne 
daß die gewaltige predigt von der Begründung aller späteren 
menschlichen Geistesentwicklung auf die im Römertum zu 
sammengefaßte antike Kultur uns aus dem Boden selber 
entgegentönte, auf dem die Römer einmal die Grenze zwischen 
dem Reich und den Barbaren gezogen hatten. 
Wollen wir unser nationales Erziehungswesen in den letzten 
hundert Jahren beurteilen, so können wir nicht anders, als 
mit der Krage anfangen, wie es sich zum klassischen Altertum 
verhält, hieran zeigt sich wie in einem Spiegel, was es mit 
dem deutschen Kulturproblem unserer Tage auf sich hat. Sieht 
man ab von noch weiter zurückliegenden Zeiten, so gab es 
bei uns seit der Reformation das doppelt geartete, äußerlich 
und innerlich von Grund auf verschiedene Ziel der Volksschule 
und der Gelehrtenschule. Oie Volksschule in Deutschland 
ist ein rechtes Kind der Reformation. Das ist nicht so zu 
verstehen, als ob die vorreformatorische katholische Kirche 
überhaupt nichts hätte von Volksschulen wissen wollen,' aber 
das grundsätzliche Bestreben der Reformation, die „Kreiheit des 
Lhristenmenschen" und die Rechenschaft, die sich jeder über 
seinen Glauben ablegen sollte, möglichst auf die eigene Kennt 
nis von den Religionsquellen zu gründen, führte zu kräf 
tiger Körderung des allgemeinen Volksunterrichts. Zn diesem 
Sinn ist Luther doch der Vater der deutschen Volksschule. 
Ganz etwas anderes ist die Gelehrtenschule. Ursprünglich 
rein kirchlich, versorgte sie später auch den Staat und das freie 
wissenschaftliche Denken mit Kräften von der erforderlichen, 
gegenüber der Volksschule viel höher gearteten Wissens 
bildung. Neben dem eigentlichen gelehrten Stande der Kirchen 
leute, hohen Staatsdiener und Hochschullehrer nahmen die 
freien bürgerlichen Berufe anfangs Gelehrtenbildung nur in 
geringem Maße in Anspruch. Allmählich aber schuf der Staat 
— durch seinen wachsenden Bedarf an Beamten und durch 
immer nachdrücklicher werdende Vorschriften über die notwen-
	        
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