Volltext: Die Großmächte der Gegenwart

64 lV. Deutschland 
Element sowohl hier wie in Schleswig langsam auf Rosten des frem¬ 
den vorwärtsschreitet. 
Wenn also die Verhältnisse an der nördlichen und westlichen Lan- 
üesgrenze keine derartigen sind, daß sie an und für sich die Keichs- 
regierung mit wirklicher Unruhe wegen der Zukunft erfüllen, so liegt 
die Sache unleugbar anders im Osten, wo der nationale Abgang am 
größten ist. Dort sieht man, wie sich eine seichte Bucht in die po¬ 
litische Rarte Deutschlands einschiebt, wie auch eine zweite von Sü¬ 
den aus. Beide bezeichnen sie Schlachtfelder in dem großen Kassen¬ 
kampf zwischen Slawen und Germanen. Ruf der Nationalkarte sehen 
wir jedoch, daß die böhmische Bucht geringer ist als die der Staats¬ 
grenze, was besagt, daß hier der Streit außerhalb des Gebietes 
des Deutschen Reiches verlegt ist. Vas Gegenteil ist im Osten der 
Fall. Dort dringt das polnische Volksmeer in Deutschland ein, über¬ 
schwemmt Gberschlesien, Posen und Westpreußen und isoliert beinahe 
das deutsche Ostpreußen. Dieses Meer ist zwar voll von deutschen 
Sprachinseln, so daß die Karte einem Inselmeer ähnlich sieht, das 
auf der anderen Seite tief in das russische Polen hineinreicht, wo 
besonders die Städte feste Stützen des Deutschtums sind. Das ist der 
Typus einer unfertigen Volksgrenze. Einen ähnlichen finden wir 
noch im äußersten Nordosten, wo ein ebensolches litauisches Insel- 
meer die deutsche Einheit an der Memel unterbricht — die der Strom 
der Litauer ist, so wie die Weichsel der der Polen —; aber dieser 
kleine Bauernstamm kommt nicht in Betracht neben dem Kulturvolk 
der Polen mit seiner sozialen Entwicklung, reichen Literatur, ge¬ 
schulten Presse und seinen Traditionen einer selbständigen Vergan¬ 
genheit. Nur hier innerhalb der Grenze Deutschlands finden sich 
also alle Bedingungen für eine nationale Lostrennungsbewegung 
vereint, hier dauert folglich der Kassenstreit auch innerhalb des 
Reiches mit einem Ernste an, der die polnische Frage vielleicht zur 
größten Sorge der deutschen (preußischen) inneren Politik ge¬ 
macht hat. 
Die polnische Frage ist besonders dadurch eine so bösartige ge-
	        
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