Volltext: Die Großmächte der Gegenwart

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III. Frankreich 
Eine Kolonialmacht mutz -och im Nationalbedürfnis eine raison 
cl'etre haben: Platz für die überflüssige Bevölkerung oder Markt 
für die überströmende Produktion oder Gelegenheit für den Über¬ 
fluß an Kapital. Über Frankreich hat keinen Überfluß an Bevölke¬ 
rung mehr und auch nicht an Produktion, und das Kapital sucht sich 
direktere Wege. Materiell betrachtet ist diese Expansionspolitik ein 
schlechtes Geschäft; nur durch ein straffes Zollsystem kann das Mutter¬ 
land einen befriedigenden Teil der Ernte auf dem kolonialen Markt 
einheimsen. Sonst gewährt diese Politik nur braune und schwarze 
Söldnerheere, um die Lücken in der Revanchearmee auszufüllen, 
während die Reibungsflächen und die Angriffspunkte im Reiche im¬ 
mer zunehmen. 
Ruch hier zeigt sich also die Vevölkerungsfrage als die, welche 
alles überschattet und schließlich entscheidet. Lin Mutterland, das 
kaum seine eigene Einwohnerzahl aufrechterhalten kann, wird wohl 
die Kosten an Geld und Leuten nicht lange aufbringen können, welche 
diese hohe Politik erfordert. Nichtsdestoweniger schreitet es auf der 
Bahn weiter. Immer noch begehrt Frankreich den Glanz neuer, gro¬ 
ßer Zahlen um seinen Namen in den Staatskalendern, immer noch 
kämpft es darum, seine auch in der geistigen Kultur sinkende Führer¬ 
stellung hochzuhalten, noch immer sucht es mit sehnsüchtig ausgestreck¬ 
ten Händen „la gloire“, die in einer Geschichte sondergleichen sein 
Leitstern gewesen ist — während die Anzeichen der Vergänglichkeit 
sich an seinem eigenen Körper häufen. 
Der Gelehrte richtet aber nicht, am allerwenigsten über Instinkte, 
auf denen der Excelsior-Geist der Völker in Wahrheit beruht. Er er¬ 
kennt auch hinter den eitlen Motiven in der auswärtigen Politik des 
heutigen Frankreichs das verlangen eines hochgesinnten Volkes, der 
Welt seinen Stempel aufzudrücken und seine eigene Größe zu erhöhen 
durch Teilnahme an den Herrscheraufgaben der Menschheit. Er mutz 
die Elastizität und den ungebrochenen Willen zum Leben bewun¬ 
dern, womit die Nation den Kampf gegen die statistischen Zahlen 
aufgenommen hat, die ihr Todesurteil zu enthalten scheinen (Rue-
	        
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