Volltext: Die Großmächte der Gegenwart

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II. Italien 
sehen einen Baum, der mehr auf das stolze Ausbreiten seiner Aste bedacht 
ist als auf die Vertiefung seiner Wurzeln in der Erde. 
Diese unorganische Forcierung der Kräfte nach außen hin bil¬ 
det den Kernpunkt in der Diagnose der sechsten Großmacht und den 
Schatten in ihrer Prognose. So wie sie bei ihrem Entstehen nach den 
teuersten Schätzen der Völker griff, nach Selbständigkeit, Einheit, 
Selbstverwaltung, nach allen auf einmal, ohne die Reife abzuwar¬ 
ten, so hat sie auch die Großmachtstellung ausbauen und ihre Früchte 
einheimsen wollen, ehe der Grund in innerer Ronsolidierung fest¬ 
lag. hierdurch erwies sich die Großmacht nicht als Blüte der Ent¬ 
wicklung des Staates, sondern gewissermaßen als ein Hindernis für 
diese Entwicklung, indem sie für sich Kräfte und Opfer in Anspruch 
nahm, die dem Staat selbst hätten zugute kommen sollen. 
Das, worauf Italien mit unabweisbarer Notwendigkeit hin¬ 
drängt, ist die Konzentration der inneren Aufgaben, Kampf gegen 
die Malaria und die Versumpfung, nicht bloß in der Natur, sondern 
auch in der Gesellschaft, Versöhnung der sozialen Gegensätze, Abhilfe 
der agrarischen Mißstände, Ausgleich und Linderung der Steuer¬ 
lasten, Säuberung des parlamentarischen Augiasstalles. Zwar sind 
die Fortschritte auf diesem Gebiete groß, aber man muß sich vor 
einer allzu häufigen Sinnestäuschung hüten- nicht mit sich selber in 
der Vergangenheit, sondern mit ihrer Umgebung in der Gegenwart 
haben Großmächte wie Staaten den Kampf ums Dasein zu führen. 
Auf dieser Wage wiegt Italien leicht. Sein Typus ist ein entschieden 
progressiver, und seine europäische Bahn führt unverkennbar auf¬ 
wärts,- aber in der planetarischen Konkurrenz ist sein Maß noch zu 
klein, seine Decke noch zu niedrig. 
Literatur: Oinquanti anni di storia Italiana, Iubiläumsschrift 
I—II, 1911;Dee<fe, Italien, 1898; p.D.Fischer, I. und die Italiener, 1901, 
und 3. als Mittelmeermacht, 1912 (Geogr. Zeitschrift)- Frescura, I moderni 
Problem! dell’emigrazione it., 1907; Flamingo, Les raisons 6conom. 
de la politique etrangöre de I'It., 1907 (Revue polit. et parlam.); Billot, 
La France et I'It., histoire des ann6es troubles, 1905; Drsi, Das moderne 
Italien, deutsch von Goetz, 1902.
	        
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