Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Die neutralen Nord staaten und der britische Handelskrieg 269 
bewilligungen verlangt. Und es kam, wie es kommen mußte. Durch die größere Aus 
fuhr einerseits und die Zurückziehung reisen Schlachtviehes aus dem Handel anderer 
seits mußte in einem so kleinen Lande wie Holland an verschiedenen Stellen, namentlich 
in den Großstädten, Fleischmangel und folglich Preissteigerung eintreten. Sofort kün 
digten die Schlächterverbände in riesigen Inseraten die Preiserhöhung des Fleisches mit 
Hinweis auf die große Ausfuhr nach Deutschland an. Ein Verfahren, das auch sicherlich 
nicht ohne Beeinflussung gewisser Personen zustande kam. Die Tätigkeit des „Telegraaf" 
bei dieser ganzen Affaire bestand nun darin, in fortwährenden Artikeln das Volk gegen 
die Regierung aufzuhetzen und vor allen Dingen die Arbeiterbevölkerung zu Protestkund 
gebungen zu veranlassen. Die Regierung aber stand vor einem Rätsel, als dieser Sturm 
plötzlich über sie hereinbrach. Verblüfft wies sie an der Hand ihrer Statistiken nach, 
daß sich von Rechts wegen mehr Vieh im Lande befinden müsse als im vorigen Jahr. 
Nachdem so die Preise für Schlachtvieh äußerst hoch gestiegen, die Ausfuhr nach Deutsch 
land vom Minister verboten war und der „Telegraaf" ein: „Es ist erreicht" nach Eng 
land berichten konnte, verkauften die von den englischen Agenten bestochenen Händler 
schleunigst ihr Vieh zu den dann herrschenden guten Preisen, woraus in einigen Tagen 
in Holland wieder fast normale Zustände herrschten. 
Soweit die Fleischnot. Eine Kartoffelnot in Holland hervorzurufen, war vielleicht 
ein noch größeres Kunststück, da Holland ja den größeren Teil seiner riesigen Kartoffel 
produktion gar nicht aufbrauchen kann, also ausführen muß. Auch hierin hatte die 
Regierung den Bedürfnissen des Landes ausreichend Rechnung getragen. Nach ihren 
Statistiken mußten sich bedeutende Mengen Kartoffeln im Lande befinden. Sie befanden 
sich auch im Lande, waren aber, ebenso wie vorher das Vieh, dem Handel entzogen, 
und die Untersuchungen der Regierung ergaben noch interessantere Entdeckungen als im 
Falle der Fleischnot. Gleich in den ersten Tagen wurden im Rotterdamer Hafen mehrere 
Schiffsladungen Kartoffeln gefunden, die dort seit Monaten versteckt lagen. Bei näherer 
Untersuchung zeigte sich, daß Riesenmengen von Kartoffeln bereits verfault waren. Auch 
im ganzen Lande fand man größere Lager von Kartoffelvorräten, die dem Handels 
verkehr entzogen waren. Auf den Kanälen im Innern des Landes lagen eine große 
Anzahl Schleppkähne gleichfalls voll versteckter Kartoffelvorräte. Nach einigen Tagen 
war auch die Kartoffelnot beseitigt. Und wenn es auch die Regierung trotz der ihr von 
gewissen Seiten bereiteten Schwierigkeiten verstanden hatte, dem Kartoffelmangel recht bald 
ein Ende zu bereiten, so war doch die durch den „Telegraaf" zur Ausführung gebrachte 
englische Absicht glänzend gelungen. Und zwar aus folgendem Grunde. Schon Monate 
vorher hatte das Blatt in unzähligen Artikeln die Arbeiterbevölkerung aufgestachelt, gegen 
die Teuerung irgendetwas zu unternehmen und energisch gegen die Regierungspolitik 
vorzugehen. Anfangs vergeblich, waren die Hetzereien schließlich doch von Erfolg gekrönt. 
Es kam zu den so sehnlich erhofften Straßenkundgebungen gegen die Regierung. Hier 
mit fielen die Wahlen zusammen. Die sozialdemokratischen Parteiführer erkannten natürlich 
ihren Vorteil. Sie schoben die Schuld an den hohen Fleischpreifen und an dem Kar 
toffelmangel auf die Regierung. Tausende irregeleitete Wähler gaben zum Dank für 
die treffliche Bekämpfung der Regierung in dieser Sache ihre Stimmen für die Sozial 
demokraten ab. Mit der Folge, daß die Regierung nun die Ausfuhr der Kartoffeln 
aus Furcht vor neuen Unruhen nicht mehr freigeben konnte, selbst wenn sie dieses 
Nahrungsmittel verfaulen lassen mußte. Der „Telegraaf" aber hatte auch hier, mit 
England, auf der ganzen Linie gesiegt. Und zur Feier des Tages lud der Verleger des 
„Telegraaf" den „Daily Mail"-Direktor Harmsworth ein, nach Holland zu kommen, sich 
das irregeleitete Publikum aus der Straße anzusehen und sich von dem Erfolge der gemein 
samen Machenschaften selbst zu überzeugen. Der englische Freund kam auch Pfinstgen 1916
	        
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