268 Der Handelskrieg vom 8. Februar 1916 bis 1. Februar 1917
Durch „Reuter" ließ sie am 6. Mai 1916 eine Mitteilung veröffentlichen, in der es u. a. heißt:
„Da die Sparsamkeit bei der Verfügung über britische Kohle von der größten Bedeutung ist, so
ist es sicherlich nicht mehr als billig, daß die neutralen Industriezweige, die den Alliierten am meisten
Vorteil verursachen, den Vorrang haben, und daß Sparsamkeit hinsichtlich derer beobachtet wird, die
den Alliierten weniger dienstlich sind und daher weniger Anspruch auf britische Kohle haben. Den
niederländischen Gesellschaften wurde lediglich ein Wink gegeben, daß ihnen im Austausch für daS
Abtreten eines bestimmten Maßes von Tonneninhalt Kohle garantiert werden könne.
Großbritannien strebt durchaus darnach, soviel wie möglich die besonderen Verhältniffe jeder ein
zelnen Schiffahrtsgesellschaft in Erwägung zu ziehen, um zu einer Regelung zu gelangen, die sowohl
die niederländischen Gesellschaften als Großbritannien befriedigt. Die Unterhandlungen mit den ver
schiedenen Schiffahrtsgesellschaften machen Fortschritte und man hat das Vertrauen, daß Niederland
begreifen werde, daß die britische Regierung nicht wünscht, ungerechte Bedingungen zu stellen. Natürlich
muß jedermann verstehen, daß Großbritannien das nicht zu bestreitende Recht hat, selbst die britische
Kohlenverteilung zu regeln, so wie Großbritannien dieses für notwendig hält. So lange ein ent
schiedener Mangel nicht bestand, wurden keinerlei Bedingungen für die Lieferung von Kohle auferlegt
und dieser Umstand allein sollte schon genügend für die Achtung sprechen, die die britische Regierung
für die neutralen Interessen hat.
Es scheint vollkommen unrechtmäßig angenommen worden zu sein, daß deutsche Kohle, die als
Bunkerkohle benutzt wird, als Bannware angehalten wird. Obgleich eine derartige Beschlagnahme
nach der königlichen Verfügung vom März 1915 durchaus gesetzlich zulässig gewesen wäre, so wird
doch zugegeben, daß ein derartiges Vorgehen in bestimmter Hinsicht eine Neuerung ist. Die nieder
ländische Schiffahrt und andere Interessenten können versichert sein, daß die britische Regierung sehr
bereit sein wird, alle Verhältniffe zu erwägen, und besonders die Schwierigkeiten, die sich daraus
ergeben, daß die britische Regierung an ihren Rechten bezüglich der deutschen Bunkerkohle festhält.
Andererseits wurde die Ausfuhr von Produkten aus den Niederlanden für die Alliierten zu wieder
holten Malen verboten, so wurde z. B. noch vor kurzem die Erlaubnis für die Ausfuhr von 35 t
Zuckerrübensamen, die bereits durch eine britische Firma vor längerer Zeit bezahlt worden waren,
verboten, obwohl der Vorrat in den Niederlanden aufgestapelt war. Die Niederländer haben auch
beinahe den größten Teil der landwirtschaftlichen Produkte, die sie gewöhnlich nach Großbritannien
ausführen, nach einer anderen Richtung verschickt und doch waren es gerade die Niederlande, die am
stärksten diese Politik unterstützt haben und die am lautesten schrien, wenn Großbritannien irgend
welche Bedingungen stellte für die Lieferung von Bunkerkohle an niederländische Schiffe."
Wie der „Vossischen Zeitung" (2. VII. 16) aus Amsterdam berichtet wurde, hielt die
englische Regierung Ende Juni 1916 den Zeitpunkt für gekommen, auch in Holland die
Frucht ihrer Ausfuhrintrigen gegen Deutschland zu ernten. Sie forderte inoffiziell von
Holland die Ausfuhr des gesamten Ueberschusses der holländischen
Lebensmittelproduktion für England und seine Verbündeten. Ferner
sollte sich Holland verpflichten, keine Lebensmittel für die Schweiz und Luxemburg mehr
über Deutschland zu befördern. Güter für die Schweiz müßten über Frankreich gehen,
während Waren für Luxemburg nur mit Genehmigung Englands versandt werden dürften.
Um die holländische Regierung gefügig zu machen und die Notwendigkeit eines Ver
bots der Ausfuhr von Lebensmitteln nach Deutschland zu demonstrieren, sind die Handels
beziehungen Hollands mit seinen Kolonien, vor allem die Einfuhr von Kakao und Tabak,
möglichst erschwert und durch englische Ränke und englisches Geld mit Hilfe der „Daily
Mail" und des ausschließlich englische Interessen vertretenden Amsterdamer Blattes „Tele-
graaf" eine Fleisch- und eine Kartoffelnot inszeniert worden. Wie Oskar T. Schweriner
in der „Vossischen Zeitung" (5. VII. 16) berichtete, „kauften englische Agenten durch be
kannte Vermittler große Mengen Schlachtvieh auf, das sie an bestimmten Stellen unter
brachten oder dem Verkäufer bis aus weiteres zur Fütterung überließen. Die Absicht
war, das Vieh dem Handelsverkehr zu entziehen. Gleichzeitig wurden Exporteure „be
wogen", große Mengen Vieh mit Ausfuhrerlaubnis nach Deutschland zu versenden. Um
dies zu ermöglichen, wurden von englischer Seite einige Wochen hindurch keine Ausfuhr