Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Der britische Handelskrieg 
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Der beabsichtigte Wirtschaftskrieg nach dem Kriege 
Das Ergebnis der Pariser Wirtschaftskonferenz (vgl. XIV, S. 19 s.) hatte sich darauf 
beschränkt, den Delegierten der auf ihr vertretenen Staaten die Annahme der seitens 
der Konferenz gefaßten Beschlüsse bei ihren Regierungen zu empfehlen. Diese kluge 
Zurückhaltung findet ihre natürliche Erklärung in dem Umstande, daß die verbündeten 
Regierungen, an erster Stelle England und Rußland, ihre Vertreter mit keinerlei Voll 
machten ausgestattet hatten, um nicht durch unbequeme Beschlüsse der Konferenz irgend 
wie beengt zu werden. 
Daß über den Gedanken des Wirtschaftskrieges und dessen Nützlichkeit die Ansichten 
der Alliierten so verschieden waren, wie ihre wirtschaftlichen Interessen, ist bereits 
früher dargelegt worden (vgl. XIV, S. 21). Aber auch in England selbst machte sich 
gegen die protektionistische Tendenz, die sich in Frankreich immer mehr ausbreitete und 
die Verbündeten mit sich fortzureißen bestrebt war, eine gewisse Abneigung geltend. 
Schon in der Sitzung des Oberhauses vom 12. April 1916 hatte Lord Courtney 
auf Runcimans Erklärung, daß der deutsche Handel nach dem Krieg nie wieder sein 
Haupt erheben dürfe wie vorher, schwere Bedenken über eine Fortsetzung des Wirt 
schaftskrieges nach dem Friedensschluß geäußert, worauf Lord Crewe in Aus 
führungen erwiderte, die so charakteristisch sind, daß sie hier etwas ausführlicher wieder 
gegeben werden sollen. 
Lord Courtney, sagte Lord Crewe, mache sich offenbar Illusionen über die Verhältnisse in 
Deutschland, als ob dort eine Partei zu einem sofortigen Frieden bereit wäre, deffen Be 
dingungen die Verbündeten annehmen könnten. Die Aeußerungen über die Vernichtung des 
preußischen Militarismus und die Vernichtung Deutschlands seien vielfach mißverstanden worden. 
Was habe Deutschland in kommerzieller Hinsicht getan, daß die Leute hier und in Frankreich ent- 
schloffen seien, Deutschland späterhin nicht die Macht zu laffen, seine frühere Tätigkeit wieder auf 
zunehmen? Deutschland habe kommerzielle Expansion und politische Intrigen mit einer Kühnheit 
nnd einem Erfolg kombiniert, für die es in der Vergangenheit keine Parallele gäbe. Wenn Lord 
Courtney den deutschen Unternehmergeist und den deutschen Militarismus, den Charakter deS 
deutschen Volkes, von den Ambitionen des deutschen Generalstabs zu trennen sucht, so habe er 
etwaS Unmögliches versucht. Man könne Deutschlands militärische Ambitionen, die sich selbst in 
Brand gesteckt haben, von der allgemeinen Angriffslust Deutschlands auf der ganzen Welt nicht 
trennen. Das Bild, daS Lord Courtney von Deutschland entworfen, wonach eS dort zwei Nationen 
gäbe: Die eine für jede Art von Angriff gedrillt und bereit, die andere voller friedlicher Absichten 
und nur bestrebt, die deutsche Zivilisation in der ganzen Welt auszubreiten, worin diese Zivilisation 
auch bestehen möge — das sei ein Bild, dem man nicht Glauben schenken könne. Das Gift sei zu 
tief in den Körper des ganzen Volkes eingedrungen. Die Idee sei nicht zu verwirklichen, daß der 
Handelsverkehr nach dem Kriege genau auf der früheren Basis wieder beginnen könnte. 
Die Tatsache selbst und noch mehr die Art, mit der der englische Ministerpräsident 
As quith sodann am 2. August 1916 das Unterhaus von den in Paris getroffenen wich 
tigen Entscheidungen und ihrer offenbaren Annahme durch die britische Regierung unter 
richtete, fanden bei vielen Mitgliedern des Parlaments heftigen Widerspruch. „Manchester 
Guardian" bezeichnet die Wirkung des Auftretens des Redners gegenüber seinen Zu 
hörern als „einen störenden Eindruck akuten Selbstbewußtseins, um nicht zu sagen, 
zynischen Wohlgefallens über seine eigene Geschicklichkeit." Asquith erklärte folgendes: 
Die Beschlüsse der Konferenz hätten einen rein verteidigenden Charakter. Deutschland werde 
sein System der wirtschaftlichen Durchdringung nach dem Kriege wieder aufnehmen und dabei über 
sehr beträchtliche Vorteile verfügen. Im besetzten Gebiete von Belgien und Frankreich habe es 
Werkstätten und Fabriken zerstört und große Mengen Maschinen und Rohstoffe weggeführt, ohne 
von den Menschen zu sprechen, die nach Industriezentren Deutschlands und Oesterreich-Ungarns 
geschickt worden seien. Es verfüge außerdem über eine mächtige Handelsstotte, die augenblicklich
	        
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