Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Der britische Handelskrieg 
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Die Entente begnügte sich aber auch damit noch nicht. Das Recht, die Briefpost 
der Neutralen zu beschlagnahmen und zu durchsuchen, das die Entente für sich in 
Anspruch nahm und mit der bereits ausführlich erwähnten (vgl. S. 100) Denkschrift 
vom 4. April 1916 zu rechtfertigen versuchte, ist auch weiterhin trotz der Proteste der 
Neutralen rücksichtslos ausgeübt worden. „Der Beweis, daß diesem englisch-französischen 
Postraub vorwiegend wirtschaftliche Kampfmotive zugrunde lagen, ist", wie die „Nord 
deutsche Allgemeine Zeitung" (3. XI. 16) in einem zusammenfassenden Artikel ausführte, 
„durch verschiedene Wahrnehmungen unwiderleglich erbracht worden. Nach Prüfungs 
vermerken, die sich auf verspätet eingetroffenen Briefen befanden, sind nämlich die von 
den britischen Seebehörden auf neutralen Schiffen beschlagnahmten Briefposten nicht 
allein von der britischen, sondern auch von der französischen Zensur durchgesehen, also 
zwischen den englischen und französischen Dienststellen ausgetauscht worden. Dieses Vor 
gehen ermöglichte beiden feindlichen Mächten einen gründlichen Einblick in die deutschen 
Geschäftsbeziehungen zum Ausland und bot ihnen die Unterlagen für wirtschaftliche 
Kampfmaßnahmen, wie sie u. a. zum großen Nachteile der Neutralen in den sogenannten 
„Schwarzen Listen" zum Ausdruck kamen." 
Ueber die umfassende Tätigkeit der britischen Briefzensur in Kirkwall erhielt die 
„Vossische Zeitung" (24. VI. 16) aus Amsterdam einige Mitteilungen. Darnach waren in 
diesem Zensuramt über 300 Personen beschäftigt. Erstaunlich sei die Sorglosigkeit der Neu 
tralen gewesen, die, obwohl sie wußten, daß kein Brief über den Ozean komme, ohne von 
dem englischen Zensor gelesen zu werden, dieser Tatsache doch keine Rechnung trugen 
und die wichtigsten Pläne und Handelsabschlüsse preisgaben. Der Zensor gab seine so 
gewonnenen Kenntnisse sofort indirekt an englische Firmen weiter, namentlich wenn sich 
Gelegenheit bot, einen günstigen Kaufabschluß zu erzielen, was der englischen Firma 
dann durch Telegraph und andere Verbindungen, die den Neutralen nicht so zugänglich 
waren, sehr leicht gemacht wurde. Dieses Bureau arbeitete ganz besonders Hand in Hand 
mit dem englischen Blockadeamt, und mancher neutrale Dampfer, der monatelang fest 
gehalten oder beschlagnahmt wurde, obwohl seine Papiere in Ordnung waren, verdankte 
sein Schicksal der Handelsspionage des Zensurbureaus in Kirkwall. Die Zahl der Post 
sendungen, die ebensowenig den Bestimmungsort erreichten, wie an den Absender zurück 
geschickt wurden, ging allmonatlich in die Millionen. Die wichtigsten Stücke, die 
der englischen Regierung als Dokumente oder Beweise dienen könnten, wanderten in die 
Kanzleien nach London, die weniger wichtigen, bei denen es nur daraus ankam, daß sie 
zum Vorteil Englands den Adressaten nicht erreichten, wurden in einer besonderen 
Anstalt durch Vertrauenspersonen vernichtet. Für die beschlagnahmten Postsendungen ist 
in London in der Nähe der Law Courts ein der Oeffentlichkeit nicht zugängliches 
Museum errichtet worden, von dem die „Times" (30. VII. 16) berichtete: 
„Es gibt da Pakete und Briefe mit Nahrungsmitteln, Gummi, Wolle u. a. m., deren Inhalt sehr 
geschickt verdeckt war. Die angehaltenen Sachen befinden sich vorläufig hinter Schloß und Riegel 
und werden nach dem Kriege weiter geschickt werden. Aber der Schinken, Speck, das Rauchfleisch 
und die verschiedenen anderen schnell vergänglichen Dinge werden da wohl nicht mehr frisch sein.... 
Alle anderen Sachen erleiden nur einen Aufenthalt, und eines TageS wird der Gummi zum Rad 
reifen werden, die Denkmünzen werden die Brust starker deutscher Männer schmücken, die Schuhe 
werden die Pflaster „Unter den Linden" treten und der Reis und das Hafermehl werden aus ihrem 
heimlichen Schlupfwinkel hervorgeholt werden, um den Hunger von Hänschen, Fritzchen und Gretchen 
zu stillen." 
Ueber den Umfang des englisch-französischen Postraubs hat die „Norddeutsche All 
gemeine Zeitung" (31.1.17) folgende Angaben und Zahlen veröffentlicht: 
„Das „Kamps"-Mittel des Postraubes wird planmäßig seit Dezember 1915 von der 
Entente angewandt. Vorher richtete sich das Vorgehen der englischen und französischen 
Böllerkrteg. XVIII. 17
	        
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