Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Der britische Handelskrieg 
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oder wer sich nicht in allen Einzelheiten ihren Weisungen über die Führung seiner Geschäfte fügt, 
wird mit der Aufnahme in die schwarze Liste bedroht. Nicht selten dient der Kampf gegen angeb 
liche deutsche Einflüsse nur als durchsichtige Maske einer rücksichtslosen britischen Intereffenpolitik. 
Die Deutsche Regierung muß es den einzelnen neutralen Regierungen überlasten, wie weit sie 
sich den britischen Uebergristen aus tatsächlichen Gründen fügen wollen, obwohl eine solche Nach 
giebigkeit mit dem Geiste wahrer Neutralität schwer vereinbar erscheint. Vom Standpunkt des inter 
nationalen Rechtes unterliegt eS jedenfalls keinem Zweifel, daß das Recht der Neutralen, mit den 
Angehörigen einer kriegführenden Macht friedliche Handels- und Finanzbeziehungen zu unterhalten, 
lediglich an den Grundsätzen über Seeprisen seine Grenzen findet, nicht aber durch Vermögenssperre 
und amtlichen Boykott beeinträchtigt werden darf." 
Zur Verteidigung des völkerrechtswidrigen Systems der „Schwarzen Listen", das auch 
von Frankreich angenommen und ausgebaut wurde, ist in der englischen und französischen 
Presse immer wieder die von dem englischen Blockademinister Lord Rodert Ceeil in die 
Welt gesetzte Behauptung wiederholt worden, Deutschland habe ebensolche Schwarzen 
Listen gegen neutrale Länder, insbesondere gegen die Schweiz, aufgestellt. 
„So brachte," wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" (20. VIII. 16) halbamtlich ausführte, 
„die „Morning Post" (10. VIII. 16) eine telegraphische Meldung ihres Berner Berichterstatters, 
der die deutsche Schwarze Liste mit ungefähr 300 schweizerischen Firmen selbst gesehen zu haben 
erklärt. Tatsächlich weiß jeder, der nur einigermaßen mit den Verhältnissen vertraut ist, daß die 
deutsche Liste, die der Gewährsmann der „Morning Post" allein im Auge haben kann, in keiner 
Weise mit den englisch-französischen Schwarzen Listen über Neutrale verglichen werden kann. 
Die deutsche Liste enthält diejenigen Firmen, die Kriegsmaterial für die Entente herstellen. ES 
ist selbstverständlich, daß Deutschland zur Herstellung von Kriegsmaterial dienende deutsche Erzeug- 
niffe, deren Ausfuhr aus Deutschland an sich überhaupt verboten ist und nur ausnahmsweise zu 
gunsten der Schweiz bewilligt wird, nicht solchen Firmen liefern kann, die daraus Munition für 
Deutschlands Feinde herstellen würden. Die Liste dient also lediglich dem Zwecke, die Ausfuhr von 
Materialien aus Deutschland zu verhindern, die zur Herstellung von Kriegsbedarf für die Gegner 
Deutschlands Verwendung finden würden. 
Ueber diesen Zweck hinaus wird die deutsche Liste von niemand und in keiner Weise verwertet. 
Nicht nur wird in die Privatrechte der auf der Liste stehenden Firmen nicht eingegriffen, so daß 
sie z. B. an der Einziehung ihrer Forderungen in Deutschland und an der Verfügung über ihre 
inländischen Bankguthaben nicht gehindert sind, sondern es steht ihnen sogar frei, mit deutschen 
Firmen Ein- und Ausfuhrgeschäfts-Verbindungen zu unterhalten, soweit sie unbedenkliche Waren be 
treffen. Ebensowenig maßt sich die deutsche Regierung an, anderen schweizerischen Firmen den 
legitimen Geschäftsverkehr mit den auf der Liste vermerkten Firmen zu verbieten. 
Dies geschieht dagegen in England. Dort ist alles erreichbare Vermögen der auf der Schwarzen 
Liste stehenden neutralen Firmen beschlagnahmt, und nach Gutdünken des Handelsamts kann es 
sogar ohne weiteres versteigert werden; Forderungen können nicht eingezogen, überhaupt keinerlei 
Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden. Englische Banken dürfen solchen Firmen Guthaben 
nicht auszahlen und Kredite nicht gewähren. Englische Firmen dürfen mit ihnen keinerlei Geschäfts 
verbindungen unterhalten. Ja, nicht nur englischen Firmen ist dies verboten, sondern allen neu 
tralen Firmen: d. h. eine neutrale Firma, die sich in Geschäftsbeziehungen mit einer Firma der 
Schwarzen Liste einläßt, wird — wie es in dem kürzlich veröffentlichten Rundschreiben eines eng 
lischen Konsuls ausdrücklich heißt — dadurch „bestraft", daß sie selbst auf die Schwarze Liste kommt. 
Dabei hat die englische Schwarze Liste mit Kriegslieferungen nichts zu tun, sondern richtet sich gegen 
den ftiedlichen legitimen Handel innerhalb der neutralen Länder, teilweise sogar gegen den Handel 
der Verbündeten Englands (Portugal, Japan!). Sie bedeutet nichts mehr und nichts weniger als 
die Anmaßung Englands, den Handel der ganzen Welt unter seine Kontrolle zu bringen, nicht so 
sehr um Deutschland zu schädigen, als um den einem friedlichen Wettbewerb nicht mehr gewachsenen 
englischen Handel durch rücksichtslose Gewalt zu stützen. 
Wir können daher nur wiederholen, was wir sogleich nach der eingangs erwähnten Ausstreuung 
Lord Robert Cecils festgestellt haben: In Deutschland ist niemals eine Maßnahme getroffen worden, 
die irgendwie mit den völkerrechtswidrigen Eingriffen Englands in die Handelsfreiheit der Neutralen 
verglichen werden könnte."
	        
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