Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

254 Der Handelskrieg vom 8. Februar 1916 bis 1. Februar 1917 
verbot gleichzustellen. Diese Gleichstellung bedeutet, wie durch eine Ausführungsverordnung vom 
29. Februar 1916 näher festgestellt wurde, nicht nur ein Verbot deS Abschluffes neuer Handels 
geschäfte mit britischen Firmen, sondern auch einen weitgehenden Eingriff in die wohlerworbenen 
Privatrechte der betroffenen Unternehmungen; insbesondere find diese den nachstehenden Bestimmungen 
unterworfen: 
Das in England befindliche Vermögen der Unternehmungen ist gesperrt, d. h. sie können ohne 
Genehmigung der Regierung nicht darüber verfügen, beispielsweise Guthaben bei englischen Banken 
und Forderungen an englische Firmen weder einziehen noch abtreten (section 6 der Trading with 
the Enemy Amendment Act, 1914), auch Wertpapiere, die in England ausgestellt find, nicht über 
tragen (section 8 ebenda). 
Der Gegenwert fälliger Zinsscheine oder sonstiger Wertpapiere kann nach Belieben deS Schuldners 
bei Gericht hinterlegt werden section 7 des bezeichneten Gesetzes). 
Nach Gutdünken des Handelsamtes kann jeder ihnen gehörige Vermögensgegenstand im Ver 
einigten Königreich, insbesondere jeder Anteil an britischen Aktiengesellschaften und sonstigen Handels 
gesellschaften, selbst wenn die Aktie sich nicht im britischen Machtbereich befindet, zwangsweise ver 
kauft und der ErlöS hinterlegt werden (section 4 der Trading with the Enemy Amendment 
Act, 1914). 
Nach der britischen Rechtsprechung, wie fie sich in diesem Kriege im Gegensatz zu der weniger 
schroffen Auffassung früherer britischer Urteilssprüche ausbildete, hat das Handelsverbot zur Folge, 
daß Kauf- und Lieferungsverträge der Betroffenen mit britischen Firmen in der Regel als aufgelöst 
gelten; auch können die Betroffenen vor britischen Gerichten nicht als Kläger auftreten. 
Die britische Regierung hat mittels einer offenbar amtlich veranlaßten Preffeveröffentlichung so 
wie in einem dem Parlament mitgeteilten Notenwechsel mit der Amerikanischen Botschaft in London 
(Miscellaneous no. 11. 1916) diese in der Geschichte der neueren Zeit unerhörten Eingriffe in die 
Privatrechte von Neutralen damit zu rechtfertigen gesucht, daß eS sich nur um eine gemilderte Ueber 
nahme deS von der französischen Regierung auf dem Gebiete der Handelsverbote durchgeführten 
Nationalitätsprinzips handle, das angeblich von vielen neutralen Staaten als Grundlage ihres Ver 
haltens im Falle eines von ihnen geführten Krieges bezeichnet worden sei; ja sie hat es unter 
nommen, ihr Vorgehen als vom Geiste der Rücksicht auf die Neutralen eingegeben hinzustellen. Die 
Haltlosigkeit dieses Rechtfertigungsversuchs liegt auf der Hand. 
Zwar hat die französische Regierung bald nach Kriegsausbruch unter Verleugnung der von ihr 
selbst noch kurz vor dem Kriege anerkannten Grundsätze in der Form eines Handelsverbots daS 
in ihrem Machtbereich befindliche Privatvermögen von Angehörigen deS Deutschen Reichs ohne Rück 
sicht auf deren Wohnsitz beschlagnahmt (vgl. III, S. 243). Abgesehen von Ausnahmefällen, die, soviel 
bekannt, alsbald zu diplomatischen Reklamationen geführt haben, ist sie aber nicht so weit gegangen, 
neutrales Eigentum anzutasten. Noch weniger hat irgendein neutraler Staat zu erkennen gegeben, 
daß er im Falle eines von ihm geführten Krieges ein solches Verfahren anzuwenden beabsichtige. 
Die britischen Bestimmungen dagegen treffen nicht nur die im neutralen Ausland ansässigen 
Deutschen, sondern auch neutrale Firmen, wenn daran nur irgendwie deutsches Kapital beteiligt ist, 
ja, wenn sie nur in irgendwelchen Verbindungen mit deutschen Handelshäusern stehen. Die Britische 
Regierung hat auch nicht gezögert, die Bestimmungen in diesem Sinne anzuwenden, so daß schon 
jetzt die Liste der von ihr verfehmten Firmen mit ausschließlicher oder überwiegender Beteiligung 
neutralen Kapitals einen erheblichen Umfang angenommen hat und zahlreiche neutrale Länder um 
faßt. Insbesondere enthält die Liste nicht wenige neutrale Aktiengesellschaften, obwohl nach einem 
allgemein anerkannten Satze des Völkerrechts Gesellschaften mit selbständiger Rechtspersönlichkeit als 
Angehörige des Staates, in dem sie rechtmäßig errichtet wurden, anzusehen sind und vollen An 
spruch auf den Schutz dieses Staates gegenüber anderen Mächten haben. 
So ungewöhnlich und bar jeden Scheines von Berechtigung die geschilderten Eingriffe Englands 
in die Privatrechte der auf die „schwarze Liste" gesetzten Neutralen sind, so werden sie an Bedeutung 
doch noch übertroffen durch die Wirkungen, welche die britischen Behörden dem Gesetz über seinen 
eigentlichen Geltungsbereich hinaus tatsächlich zu geben wissen. Durch die Drohung der Aufnahme in 
die Liste üben Großbritanniens Vertreter in vielen neutralen Ländern einen Druck ohnegleichen auf 
einen großen Teil der dortigen Handelswelt auS. Wer diesen Vertretern nicht Bücher und Geschäfts 
geheimnisse preisgibt, wer sich weigert, auf ihr Verlangen deutsche Angestellte zu entlassen, einzugehen.
	        
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