Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

94 Die Ereignisse an der We st front im fünften Kriegshalbjahr 
grausam und fürchterlich und ewigdauernd; und die sie bestehen, das sind die modernen 
Heldentruppen. Wir werden im Schlußwort noch auf diesen wesentlichen und in der 
Heimat oft recht mißverstandenen Punkt kommen. So ging auch für die Divistonen deS 
I. bayerischen Armeekorps mit nüchterner Kleinarbeit die große Schlacht an: es wurde 
von den zuerst eintreffenden Bataillonen hinter den vorne Kämpfenden und Abzulösenden 
gegraben, Material, Munition beigeschleppt. Unterdessen begann bei den Stäben ein 
eifriges Vorarbeiten; die Stellungen, in die wir rücken sollten, wurden besichtigt, er 
kundet, die Karten hiesür richtig gestellt, in engste Fühlung getreten mit den Stäben, 
die nun schon wochenlang hier gute Arbeit geleistet hatten, das Zusammenwirken von 
Infanterie, Artillerie, technischen Waffen festgelegt und sicher gestellt und so das erreicht, 
was das Ideal der Ablösung während der modernen Schlacht ist, nämlich daß unver 
merkt für den Gegner, ohne Unterbrechung der Widerstandskraft, ohne Lücke in der Unter 
nehmungslust und im Zusammenspielen aller Waffen plötzlich ein nagelneues Korps da 
auftaucht, wo müdgekämpfte Truppen Ablösung verdient hatten. Glatt ist diese Leistung 
dem I. bayerischen Armeekorps gelungen. Am 14. Oktober konnte die eine, am 16. Ok 
tober die andere Infanterie-Division des Korps melden, daß sie richtig abgelöst hätten. 
Was dies sagen will, welche Größe der Arbeitsleistung, welche Fülle von Risiko und 
von Einzelentschlüssen und -Taten darin inbegriffen ist, das weiß nur der Führer, der 
die Nacht über am Fernsprecher auf die Meldung des letzten Bataillons noch harrt, 
das versteht nur, wer diesen Führer dann aufatmen steht, wenn der Fernsprecher ver 
kündet: „Alles richtig und ohne Störung abgelöst." 
Die nach den Ablösungsnächten vom I. bayerischen Armeekorps eingenommenen Stel 
lungen schlossen eine dritte deutsche Division ein. Während nordwestlich von Sailly 
(man erinnere sich an die Geländebeschreibung) aus dem gegen le Transloy hinüber 
streichenden Buckel, vorgeschoben gegen Südwesten bis nahe an die in Feindeshand be 
findlichen Dörfer Lesboeufs und Morval in einer balkonartig vorspringenden Stellung die 
eine der bayrischen Divisionen sich festgesetzt hatte, Sailly selbst aber von nichtbayerischen 
Regimentern verteidigt wurde, begann am Südzipfel von Sailly die Stellung der anderen 
Division und zog sich süd-ost-südlich bis zum St.-Pierre-Vaast-Walde. Wir waren gerade 
an der Grenze des englischen und französischen Kampfgebietes und so kam es, daß unsere 
rechte Division mit den Engländern und Franzosen, die linke bloß mit Franzosen sich zu 
messen hatten. 
Es war eben von „Stellungen" die Rede. Hier an der Somme waren die vordersten 
mehr ein symbolischer Begriff. Granatlöcher in Schlamm und zerwühlter Erde, mit 
Regenwasser angefüllt, manchmal mit dem Versuch eines Grübchens verbunden, ohne 
Unterstände, ohne Hindernisse: so sah es ganz vorne aus, mußte so aussehen; denn immer 
auf der Wacht, immer im Kampf, immer im wütendsten Feuer, Tage, Nächte, manche 
Bataillone fünf-, sechsmal 24 Stunden; da ist keine Zeit zu einem Spatenstich, kaum Ge 
legenheit und Möglichkeit, Munition vorzubringen, geschweige denn Baumaterial. Was 
der Mann mit sich bringt, Patronen, Handgranaten, Konserven, etwas Wasser und Kaffee, 
darauf ist er angewiesen all die Tage und Nächte; und das Granatloch, das ihm zu 
gewiesen, das ist seine Stellung, da wacht er und kämpft er und stirbt er. 
Weiter hinten kann natürlich mehr geschehen für Stellungsbau: aber bis weit zurück 
in die sogenannten Ruhequartiere reicht der Granatenüberfluß des Feindes und stört 
Arbeit, Bewegungen und die knappen paar Ruhestunden, die an der Somme nicht ein 
mal für alle heraussprangen. 
Bei Betrachtung der beiden Stellungsabschnitte des Korps springen ein paar wesentliche 
Punkte ins Auge: die Bedeutung von Sailly, dessen Verlust die linke Flanke der einen 
und die rechte der anderen Division gefährden mußte; die Gefahr, die die in Feindes-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.