Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Die Schlacht an der Somme und die übrigen Kämpfe an der Westfront 83 
Gerne zogen wir hin; der Mann sagte: „Aerger wie vor Verdun wirds auch nicht." 
Der Offizier freute sich: Kannten wir ja doch aus der Zeit vom Spätherbst 1914 bis 
Spätherbst 1915 das schöne Land, hatten es lieben gelernt, das Land mit den sanften, 
breit hingelagerten Höhen, den üppig fruchtbaren Feldern und den in mächtigen Laub 
bäumen versteckten Dörfern. Freilich: es war anders geworden seit unserem Abschied 
im Herbst 1915: das Land verwüstet, die Bauern geflohen; und nicht mehr Kanonen 
schüsse hörte man dann und wann wie dereinst in der „ruhigen Zeit", sondern Rollen 
und Grollen und Krachen ohne Unterlaß, Tag und Nacht. Und noch einen Namen will 
ich heraufbeschwören: eingeprägt ist er, wie der Welt die Somme, so dem „I. bayerischen", 
für ewig: Sailly-Saillisel. 
Um dich, du langes, langweiliges Nest, wo wir uns noch vor einem Jahr um teures 
Geld schlechte Seide von den „Heimarbeitern" haben ausschwätzen lassen, um dich hat er 
am heißesten gebrandet der Ehrenkamps des „I.", links von dir, rechts von dir, in dir. 
Hineingebissen hast du dich, tapferer Franzmann, aber durchgebissen hast du dich nicht, 
so lange du auf das „I." bissest; denn du bissest aus Granit. 
Ein flüchtiges Geländekroki muß die folgende Schilderung der Ereignisie unterstützen. 
Auf breitem, von Nord und Süd streichenden Höhenbuckel, über dessen Rückgrat die 
prächtig gebaute Straße Bapaume—Pöronne läuft, begleitet die Straße wohl IVs km 
lang der Ort Sailly. Stell dich auf seinen Kirchturm (jetzt kannst du's freilich nicht mehr, 
der Kirchturm ist in Atome verwandelt) und schau nach Westen, von wo der Franzose 
kommt, dann siehst du vor dir, über das Chateau Saillys wegschauend, eine Mulde — 
nennen wir fie Morval-Mulde —, ziemlich tief, sie streicht westlich, vereinigt sich mit 
einem Ast, der nach Nordost gegen Le Transloy züngelt, und wendet sich dann südlich 
gegen Combles bekannten Angedenkens; rechts vorwärts seitwärts streicht der Blick 
über Le Transloy bis Bapaume, links aber schmilzt das Dorf Rancourt zusammen mit 
dem St. Pierre-Baast-Wald, kaum 2 km südlich von deinem Standpunkt. 
Hinter dir aber senkt sich allmählich wie eine gewaltige schiefe Ebene bis hinunter zum 
La Tortille-Grund, den ein großartiges, leider unvollendetes (die „Boches" haben daran 
im Frieden gebaut) Kanalwerk benützt, um die Somme über den Kanal de la Sensöe 
nordwärts zu verbinden mit dem weitverzweigten Fluß- und Kanalsystem der Departe 
ments Pas de Calais und Nord. Auf dieser schiefen Ebene schmiegt sich nordöstlich 
(etwa 1^/2 km), Le Mesnil in eine tiefere Mulde, noch weiter nördlich, aber wieder 
höher gelegen, schaut Rocquigny herüber, östlich ragen die Dächer von Etricourt und 
Manancourt aus dem Kanaltal heraus, aber unmittelbar rechts davon, ost-süd-östlich 
begrenzen den Blick die Laubwälder von St. Martin, von Vaux und vom schon ge 
nannten St. Pierre-Vaast. Und gleich unter uns, unter dem Kirchturm, sehen wir einen 
nach Ost-Süd-Osten ragenden Häuserkropf, an Sailly unmittelbar angewachsen, größer 
als Sailly selbst: das blutgetränkte Saillisel (vgl. auch die Karte S. 67). 
Mit diesem Rundblick überspannen wir das Schlachtfeld, aus dem Truppen des I. 
bayerischen Armeekorps fast 1 Monat lang zäh gerungen, geblutet und, soweit es die 
Verhältnisse des modernen Kampfes überhaupt hier zulassen (was die Nachwelt vielleicht 
mit noch klarerer Erkenntnis zugeben wird), gesiegt haben. 
II. 
Am 5. Oktober 1916 begann das I. bayerische Armeekorps sein ruhiges, planmäßiges stetiges 
Hinüberrollen von einem südlicheren Kampfplatze nordwärts an die Somme. Und ruhig 
und planmäßig, mit Kleinarbeit beginnend, war dort sein Einsatz. Wer heute den Krieg 
verstehen will, muß mit den alten Bildern brechen. Muß sich nicht das Ideal anklammern 
der fliegenden Fahnen und anstürmenden Regimentsmassen mit Offizieren zu Pferd an 
der Spitze vorne weg. Weniger malerisch, weniger poetisch ist die Schlacht — aber
	        
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