Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

Die Schlacht an der Somme und die übrigen Kämpfe an der Westfront 91 
Vom Sturm auf Ablaincourt 
Am 11. Oktober 1916 
Einem Feldbrief entnahm die „Kölnische Zeitung" (4. IV. 17) folgenden ergreifenden Be 
richt: „Es war am 10. Oktober 1916 vor Ablaincourt an der Somme: Ich erhielt abends 
den Befehl, mit meinem Geschütz in Stellung zu gehen, da man französische Angriffe 
vermutete. Meine Kompanie- und Zugführer machen mir die Schwere meines Auftrages 
klar. „Gehen Sie mit Gott, machen Sie alles gut!" und ich fuhr mit meinen Leuten in 
die schwarze Nacht hinaus. Es gelang mir, ohne Verluste die angewiesene Stelle zu er 
reichen. Die Nacht blieb ruhig, mein Gewehr war schußfertig eingebaut im Graben; 
langsam, Stunde um Stunde verstrich die Nacht. Ich konnte nicht schlafen; an die 
teure Heimat dachte ich, an Vater, Mutter, Schwester, an mein eignes junges Leben, 
was nun kommen sollte, wie alles werden würde! — Der Morgen graut; Totenstille 
legt sich auf die blutgesättigte Erde — ein schlimmes Vorzeichen, der Gegner wird 
ruhig, um nur um so furchtbarer anzufangen. Meine Leute schlummern zum Teil an die 
Grabenwand gekauert, einige rauchen in elegischer Ruhe ihre Zigarette! 
11. Oktober, 10 Uhr morgens. Wütendes Trommelfeuer setzt ein aus unsere Stellung; 
schwere 30om-Granaten schlagen zielgenau in den Graben, die Erde dröhnt. Pulver- 
dampf verdeckt alles, haushohe Erdlawinen fallen nieder, durch die krepierenden Granaten 
aufgehoben. Toller und toller wird das Feuer, der jüngste Tag ist da; rechts, links 
neben den Unterstand schlagen krachende Granaten ein. Stöhnen, unsagbar wehes Stöhnen 
hört man plötzlich neben dem Unterstand. Der Beobachtungsposten meines Geschützes 
liegt blutbespritzt auf der Grabensohle, ein Granatsplitter von Handlänge sitzt ihm in 
der Lunge. Ich springe hinaus, zerre ihn in den Unterstand, ihm hilft keiner mehr, er 
röchelt tief und tiefer, sein brechendes Auge starrt ins Uferlose. — „Mutter," lallt er, 
so weh, so unsagbar weh und wund — er hat ausgelitten. Ich drücke ihm die Augen 
zu, und wir legen ihn in eine Grabennische. 
Ein neuer Posten ist aufgezogen, der größte Teil der Infanterie ist tot und verschüttet. 
Der Sturm wird zum Orkan, wann, o wann kommt das Geschoß, das uns erlöst, es ist 
nicht mehr zum aushalten! Ich sitze stumm und apathisch da! 
12 Uhr, dos Feuer verstummt wie mit einem Schlag, alles was noch lebt, springt 
hinaus in den Graben, wenige sind es, so bitter wenige, ein kleines Häuschen deutscher 
Soldaten! „Der Franzmann kommt", gellt's durch den Graben. Alles springt ans 
Gewehr, da kommen Reihe auf Reihe Franzosen mit blinkendem Bajonett, 6 Reihen 
sind's, die erste auf 80 m heran. Mein Gewehr feuert los, es schießt, schießt und 
versagt nicht, mein treues Gewehr! Drüben fallen sie, sie stocken, noch einmal springen 
sie, mehr bleiben liegen, der Sturmangriff stockt, er steht, zurücklaufen die Uebrig- 
gebliebenen in ihren Graben, manchen hat die Maschinengewehrkugel erreicht. Der Graben 
ist gehalten, der Angriff abgeschlagen! 
Totenstille hüben und drüben! Was wird nun werden, nachlassen wird der „Franz" 
heute noch nicht, das wissen wir alle — beginne neuer Totentanz, deutsche Maschinen 
gewehrleute fallen, weichen tun sie nicht! ... Es bleibt ruhig, ich sehe mal zum 
Unterstand hinaus, da liegt mein zweiter Posten an der Schulterwehr, tot, mit einem 
kleinen Loch in der Stirn, das zweite Opfer! Ich habe nur noch zwei Mann, das Herz 
droht stillzustehen beim Gedanken an das, was werden wird. Gegen 2 Uhr 
15 Minuten setzt neues Trommelfeuer ein, wie ich es nie erlebt, jeden Augenblick 
glaubt man drüben zu sein, ich arbeite mich aus dem Stollen heraus, muß die Ver 
bindung mit der Infanterie herstellen, torkle 100 m nach rechts, 100 m nach links, 
kein Lebender mehr, tot, entsetztlich verstümmelt, ich bin allein mit meiner Besatzung. 
Um 4 Uhr hört es wieder auf, ein neuer Angriff, vier Wellen Schwarze! Das Geschütz
	        
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