Volltext: Der Völkerkrieg Band 12 (12 / 1918)

90 Die Ereignisse an der Westfront im fünften Kriegshalbjahr 
gestellt war, vergingen Stunden. Auch bis weitere Befehle nach vorn gelangten, mußte 
ebenfalls geraume Zeit vergehen, denn die Bataillone in der Stellung waren oft stunden 
lang ohne Verbindung mit ihren Regimentsstäben. 
Am 8. Oktober setzte der Feind fein Wirkungsfeuer fort. Eine Reservestellung dieses 
Abschnittes erhielt auf 600 m Front 400 schwere Granaten in der Stunde. Rechnet man 
auf den Einzelschuß einen Trichter von 4 m Durchmesser, so würden die 400 Trichter, 
sauber einen an den andern gesetzt, annähernd 6000 qm Landes bedecken. Da sie aber 
aus die kurze Strecke von 600 m Breite zusammengedrängt sind, kann man sich die Ver 
wüstung dieser Schußfelder ungefähr ausmalen. 
Der Engländer schoß gut. Mittags gegen 12 Uhr begann er zu trommeln, und während 
dem sammelten sich seine Kolonnen zum Sturm. In den Mulden, den Hohlwegen drückten 
sie sich von den Dörfern aus vor, so weit es ging und warteten ihre Zeit ab. Sie hatten 
kleine Quergräben, kurze Sackgassen zu beiden Seiten der Hohlwege ausgehoben, um sich 
zu decken. Hier lagen sie nun dicht bei dicht wie die Heringe. Um 4.30 Uhr standen 
sie aus und entwickelten sich in drei Sturmwellen: die vorderste, 200 m entfernt, etwas 
dünner besetzt als die zweite und die dritte, marschierte in geschlossenen Gruppen, etwa 
600 m vor unserer Linie, zum Angriff vor. Sie trugen ihre Karabiner umgehängt, in 
Schutzhüllen verpackt, die Mündungsschoner auf den Läufen, und manche hatten, wie 
sich nachher herausstellte, nicht einmal geladen. 
100 m vor der deutschen Linie lag eine alte deutsche Batteriestellung mit einem leidlich 
erhaltenen Unterstand. Die Kompanie dieses Abschnittes hatte die gute Gelegenheit zu 
einer Sappenstellung ausgenutzt und 25 Mann Besatzung hineingelegt. Die Mannschaft 
in der Sappe sah die Engländer aufstehen, meldete das, verriet sich aber nicht. Die 
Engländer entwickelten sich ziemlich schwerfällig in die Breite; ehe sie fertig waren, lag 
unser dickstes Sperrfeuer über ihnen und legte sie reihenweise nieder. Nun gingen sie 
rascher vor. Da legte unser Jnfanteriefeuer los und in der Sappe wurde es lebendig. 
Ein richtig gezieltes Schützenseuer empfing sie, von vorn und in der Flanke. Es wurde 
wie im Frieden nach Kommando geschossen: „Stopfen! Durchladen! Schnellfeuer!" Wenn 
der Nebenmann im nächsten Granattrichter bei dem Höllenlärm den Befehl nicht auf 
nahm, weil er den Zuruf nicht hörte, so weckte ihn ein Lehmklumpen, der ihm an den 
Kopf flog. Die Unterführer sorgten für frische Gewehre, beseitigten die Ladehemmungen, 
hielten saubere Munition bereit. Alles ging ruhig und ordentlich vor sich, ohne Ner 
vosität. Die Engländer, die nicht vorwärts konnten, schickten einen Meldegänger nach 
dem andern zurück, um Verstärkungen zu holen. Aber einer nach dem andern wurde 
von den deutschen Scharfschützen erledigt. Binnen einer Stunde war der ganze große 
Angriff hoffnungslos gescheitert ohne Nahkampf. 
Weithin über das Feld verstreut lagen die englischen Toten und Verwundeten. Einer 
von ihnen hatte einen Brief an die Mutter in der Tasche. Er schrieb kurz vor dem 
Angriff: Seine Ausbildung in Le Havre sei nun beendet. Drei Tage habe er in Re 
serve gelegen und werde nun wohl aus einen Tag nach vorn kommen. „Wundert euch 
nicht", meint er dann, „wenn ihr in nächster Zeit vom Frieden in der Zeitung lesen 
werdet. Denn, wenn die Deutschen weiter so fürchterliche Verluste erleiden wie bisher, 
dann bin ich Weihnachten bei euch." 
Aus solchen Kämpfen setzt sich die gewaltige Schlacht an der Somme zusammen. Es 
scheint immer wieder dasselbe und ist es doch nicht. Denn immer wieder neu sind die 
Kräfte, die sich hier messen, in tausend neuen Formen bewähren sich der Mannesmut, 
die Ausdauer, die stolze Zuversicht: rennt euch die Köpfe ein, verwüstet das schöne 
Land, gießt das glühende Eisen in Strömen über alles Lebendige aus — durch kommt 
ihr nicht!"
	        
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