Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

30 Das Deutsche Reich während des fünften Kriegshalbjahres 
Damit schloß die erste Lesung; aus Antrag des Abgeordneten Scheidemann er 
folgt sofort die zweite Lesung, woraus der Abgeordnete Landsberg (Soz.) ausführte, 
daß er nach wie vor der Ueberzeugung sei, der Belagerungszustand müsse beseitigt werden. 
Die Schutzhaft erfolge ohne richterlichen Haftbefehl und sei mit dem Rechtsempfinden 
eines freiheitlich denkenden Volkes unvereinbar. In dem Gesetzentwurf sähe er aller 
dings eine Reform, aber nur eine bescheidene, denn die vorgeschlagenen Bestimmungen 
seien Selbstverständlichkeiten. Worauf der Abgeordnete Haase (soz. Arbeitsgem.) be 
tonte, der Belagerungszustand müsse völlig beseitigt werden. Dem Gesetz stimmten 
seine Parteifreunde nur als einem Notbehelf zu. Das Gesetz wurde sodann in zweiter 
Lesung einstimmig angenommen, worauf auf Antrag Scheidemann auch sofort die 
dritte Lesung erfolgte. In der Generaldiskusston bemerkt der Abgeordnete Scheide 
mann (Soz.) unter allgemeiner Zustimmung: Als Vorsitzender des Ausschusses habe 
ich die dringende Bitte an die Regierung zu richten, keine Minute mit ihrer Zustimmung 
zu zögern. Die Vorkommnisie dürfen sich unter keinen Umständen wiederholen. Die 
Regierung würde eine schwere Verantwortung aus sich laden, wenn sie damit zögern 
würde. Das Gesetz wird daraus einstimmig und unter lebhaften Beifallskund 
gebungen angenommen (vgl S. 10). 
Die Schlußverhandlungen und die Vertagung 
Am 2., 3. und 4. November 1916 
In der Sitzung vom 2. November stand zunächst der mündliche Bericht des Aus 
schusses für den Reichshaushalt über Fragen der Gefangenenbehandlung auf 
der Tagesordnung. Der Ausschuß beantragte, folgende Resolution anzunehmen und 
dadurch die zur Frage der Gefangenenbehandlung vorliegenden Petitionen für erledigt 
zu erklären: 
а. Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, durch Vermittlung deS Heiligen Stuhles oder einer 
anderen neutralen Macht unter sämtlichen kriegführenden Mächten alsbald in Kraft zu setzende 
Vereinbarungen zu treffen, durch welche 
1. daS LoS der Kriegsgefangenen wesentlich verbessert wird, so daß in der Folge Ver- 
geltungsmaßregeln aller Art beseitigt werden können; 
2. sämtliche Zivilgefangene ohne Unterschied des AlterS freigelassen und auf ihr Verlangen in 
ihr Heimatland zurückbefördert werden gegen das ausdrückliche Versprechen der einzelnen Staaten, 
die Entlassenen nicht in die Wehrmacht einzureihen. 
b) Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß die Löhnung unserer Gefangenen 
an deren Angehörige in allen Fällen gezahlt werde, wo dies zur Unterstützung der Gefangenen not 
wendig erscheint. 
e) Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, eine Vereinbarung mit der französischen Regierung 
zu erstreben, die bewirkt, 
1. daß die trotz des im Januar d. I. abgeschlossenen Auslieferungsvertrags noch in Gefangen 
schaft zurückgehaltenen Frauen, Kinder und über 55 Jahre alten oder kriegsuntauglichen Männer 
baldigst freigegeben werden; 
2. daß die in jenem Auslieferungsvertrage für die Männer festgesetzte Altersgrenze von 
65 Jahren auf die für unsere Militärpflicht geltende Zahl 45 herabgesetzt werde, wie daS von 
seiten Englands in nächster Zeit zu erwarten ist; 
3. daß diejenigen, die weiter in Gefangenschaft verharren müssen, vertragsmäßig den kriegs- 
gefangenen Soldaten in jeder Hinsicht gleichgestellt werden; 
4. daß noch zahlreicher, als bisher geschehen, kranke Zivilgefangene zur Erholung in die 
Schweiz gesandt werden; 
5. daß die gegenseitige Verpflichtung, die über Militärpersonen verhängten Arrest- und Ge 
fängnisstrafen bis Beendigung des Krieges auszusetzen, auch auf die Zivilgefangenen ausgedehnt wird; 
б. daß die schreienden Mißstände in verschiedenen Gefangenenlagern, insbesondere in dem der 
Ehartreuse prös le Puy, beseitigt werden.
	        
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