D i e achte Kriegstagung des deutschen Reichstags I. 2!
zeugung seiner engeren Freunde festzustellen, daß sie jeden rücksichtslosen Tauchbootkrieg
verdammt, und daß es nicht gelte, das Völkerrecht zu vergewaltigen, sondern wieder
aufzurichten. Der Hauptteil seiner Rede galt im übrigen, wie schon oft, der Ueberzeu
gung, daß der Krieg durch Verständigung und nicht durch Fortsetzung ins Ungewisse
hinaus beendet werden müsse. Er sprach dabei unverkennbar mit einer gewissen Vorsicht,
um patriotische Gefühle nicht unnötig zu verletzen.
Damit war die sogenannte erste Garnitur der Redner erschöpft. Die Regierung hatte
keine Veranlassung gefunden, in die Diskussionen einzugreifen. Als zweiter Redner kam nur
noch Or. D a v id (Soz.) zum Wort. Was vorher Naumann und Spahn ausgeführt hatten,
daß Deutschlands Politik nicht zum Kriege geführt hat, das hat David in glänzender
Beweisführung vervollständigt und als seine feste Ueberzeugung ausgesprochen, daß Eng
land es sei, das die Schuld am Kriege trage; es hätte ihn vermeiden können, wenn es
ebenso scharfe Warnungen nach Petersburg gerichtet hätte wie Deutschland nach Wien.
Was unsere Gegner noch ausrecht erhalte und ihre Völker an den Sieg glauben mache,
das sei die Hoffnung auf innere Zwistigkeiten in Deutschland, die Hoffnung auf Aus
hungerung und darauf, mit der jetzt im Gange befindlichen großen Offensive uns nieder
werfen zu können. In alledem würden sie sich täuschen! Deutschland sei nicht nieder
zuwerfen und gut sei es für das Ende des Krieges, sestzustellen, daß wir ihn, wenn auch
siegreich, nicht als Eroberungskrieg geführt haben.
Von Mitgliedern aller bürgerlichen Parteien ist daraus ein Antrag aus Schluß der
Besprechung gestellt worden, der angenommen wurde, nachdem der Abgeordnete Ha äse
(soz. Arbeitsgemeinschaft) zur Geschäftsordnung festgestellt hatte, daß ihm dadurch die
Möglichkeit genommen sei, auf verschiedene Angriffe zu antworten.
Trotz wiederholter andauernder Ruse: Vertagen! trat das Haus nach 6 Uhr doch
noch in die Verhandlung über den vom Zentrum ausgegangenen, bereits wiedergegebenen
Kommisstonsantrag (vgl. S. 18) ein, überden der nationalliberale Abgeordnete Basser-
mann Bericht erstattete. Zwei Anträge von fortschrittlicher und nationalliberaler Seite
auf Errichtung besonderer Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten seien von der
großen Mehrheit des Ausschusses abgelehnt worden. Hieraus wurde der Vertagungs
antrag angenommen.
Ueber die Verhandlungen schrieb die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" (12.X.16):
„In einer 7 stündigen Sitzung hat der Reichstag aus den langen vertraulichen Beratungen
seines Ausschusses das Fazit gezogen. Es ist von keiner Seite ein Hehl daraus gemacht
worden, daß in der Hauptfrage, die den Ausschuß beschäftigt hat, die Meinungen nicht
ausgeglichen worden sind. Das Land wird aber aus dem Gesamtverlauf der Verhandlung
am 11. Oktober 1916 die Zuversicht entnehmen, daß vorhandene sachliche Differenzen die
Einigkeit und Kampfkraft in keiner Weise schwächen können. Von den Rednern der ver
schiedenen Parteien sind Worte gesprochen worden, die nicht allein den Zuhörern zu
Herzen gingen, sondern auch draußen im Lande einen tiefen und erhebenden Eindruck
machen werden. Ueberall war der Wille vorherrschend, erneut die Gedanken hinzuleiten
auf das Eine, was heute not ist: fest zusammenzustehen bis zum siegreichen Ende dieses
Krieges. Das ist mehrfach in geradezu ergreifender Weise ausgesprochen worden."
Die Aussprache über die auswärtige Politik wurde nun unterbrochen und unterdessen
in den Sitzungen vom 12. und 13. Oktober 1916 die Interpellationen der Konser
vativen betreffend Arbeitermangel bei der Hackfruchternte, der Sozialdemokraten betreffend
schleunige Zufuhr von Kartoffeln in die Bedarfsbezirke, der fortschrittlichen Volkspartei
betreffend die Versorgung der Bevölkerung mit Speisekartoffeln und des Zentrums über
das gleiche Thema besprochen. Dabei gab der Präsident des Kriegsernährungsamtes
v. Batocki beruhigende Erklärungen ab.