Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

Das Deutsche Reich während 
des fünften Kriegshalbjahres 
Von August 1916 bis Februar 1917 
Fortsetzung von Band XVI, Seiten 1 bis 140 
Deutschlands Kriegsziele 
„Der deutsche Zweifrontenkrieg läßt sich/ wie der „Kölnischen Zeitung* (12. IX. 16) ge 
schrieben wurde, „im Grunde auf eine einfache Formel bringen. Im Osten hat sich Deutsch 
land gegen die ungezügelte Ländergier des Panslawismus zu verteidigen, und im Westen 
gilt es, den Vernichtungsschlag Englands zu parieren, das im deutschen Handel und 
Industrialismus eine immer gefährlicher werdende Macht für seine dominierende Stellung 
auf dem Weltmärkte erblicken zu müssen glaubt. Alle übrigen Kriegsereignisse sind 
Nebenbrände dieser beiden Hauptherde und abhängig von diesen entstanden. 
Die relativ alles andere weit hinter sich lassende Entwicklung in Deutschland auf säst 
allen Gebieten während des letzten Menschenalters bedeutet etwas Positives, eine Kultur 
blüte, deren Schutz ihm eine Pflicht der Selbsterhaltung und der Selbstachtung gebietet. 
Die im Osten und Westen dagegen eingesetzten Kräfte sind negativer Art, weil sie sich 
letzten Endes gegen die kulturelle Förderung des Menschentums wenden; es sind aggressive 
Machtfaktoren, die sich erkühnen, aus beiden Seiten mit hemmender Gewalt in das rollende 
Rad der Weltgeschichte einzufallen. Unausgesprochen verleihen sie damit Deutschland den 
Charakter eines Trägers der sittlichen Ideen der Weltgeschichte, so daß Deutschland beim 
ersten Kanonenschuß seine Kriegsbuchführung mit einem gewaltigen moralischen Plus auf 
der Habenseite eröffnen konnte. 
Das östliche Kriegsziel war Mitte 1916 schon verwirklicht. Dabei muß es wunder 
nehmen, wie langsam das Bewußtsein dieser erfüllten Aufgabe durchdrang. Von vornherein 
konnte der Ausgang des Kampfes der Kultur gegen die Unkultur nicht zweifelhaft sein. Die 
Hauptbrutstätte panslawistischer Eroberungsgelüste aus dem nordwestlichen Balkan ist längst 
ausgeräuchert und in solide Zwangsverwaltung genommen, das Großrussentum im Norden 
aufs Haupt geschlagen, das strategische Eisenbahnsystem befindet sich in den Händen der 
Sieger—,die panslawistische Bewegung ist mit ihrem Gesicht nach Osten gekehrt worden, und 
die Universität Warschau sowie das angekündigte Geschenk der Freiheit für Polen sind die 
ersten reifen Früchte der getanen Kulturarbeit. Daß die germanische Faust dabei gleich 
zeitig die Sache Englands vertrat, wer würde zu hoffen wagen, daß diese Erkenntnis in 
einem Hirn jenseits des Kanals jemals aufdämmerte? Freilich frohlockt der Brite über 
ein geschwächtes Rußland, aber sein Interesse beschränkt sich aus Fragen der eigenen 
äußern Macht und des eigenen Handels. 
Was weiter noch im Osten verfochten wurde, waren reinrussische Pläne, die lediglich 
Rußlands Beteiligung am Kriege nicht allzu unrentabel machen sollten, mit den ursprüng 
lichen Kriegsursachen aber nur lose verknüpft waren. Die russische Kriegspolitik hatte eine 
scharfe Frontveränderung vorgenommen und war Ende 1916, so weit sie überhaupt noch 
aggressiver Natur war, in rein südlicher Richtung orientiert. Konstantinopel heißt der 
alte russische Traum, der Zutritt zum Mittelmeer, ehemals eine stolze, kühne Hoffnung, 
nun ein letzter, dünner Strohhalm, nach dem ein Ertrinkender griff. Die Entwicklung 
der Ereignisse aus dem rumänischen Kriegsschauplatz nahm einen verheißungsvollen Ver 
laus. Der russische Strohhalm schwamm eilig donauabwärts und ging für immer in 
den Wellen des Schwarzen Meeres unter. 
Völkerkrieg. XX. 
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