Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

320 Italien und der Vatikan während des fünften Kriegshalbjahres 
Der Vatikan und Frankreich 
Der Kardinalstaatssekretär Gasparri gewährte dem Berichterstatter des Pariser „Jour 
nal* eine Unterredung und antwortete aus die Frage, ob der Kardinal eine Wieder 
aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl 
für möglich halte: „Aber gewiß! Uns würde sie hoch befriedigen. Alles hängt von 
der französischen Regierung ab. Wird sie wollen? Das weiß ich nicht... Frankreich, 
das die schöne Haltung seiner Welt- und Ordensgeistlichkeit im Kriege bewundert hat, 
wird meines Erachtens keine religiösen Verfolgungen mehr wünschen. Sollte man etwa 
die Ordensbrüder, die in der Stunde der Gefahr dem Rufe des Vaterlandes gefolgt 
sind, wieder verjagen? Das glaube ich nicht. Keine Regierung wird das tun, und 
Frankreich, das so ritterliche Frankreich, würde es nie erlauben. Der religiöse Friede 
aber läßt sich nicht ohne Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit dem 
Heiligen Stuhl herstellen. Zwischen Staat und Kirche werden die Berührungspunkte 
nach dem Kriege nicht nur nicht verschwinden, im Gegenteil sich noch vermehren; und 
eine Regierung, die sich wirklich um das Wohl der Republik bekümmert, wird sie einer 
aus der Mode gekommenen Kirchenseindlichkeit nicht wieder opfern wollen. Da liegen 
etliche Gründe, aus denen die Katholiken Hoffnung schöpfen dürfen.* 
„Das ist sanft gesagt,* schreibt dazu Otto Röse in den „Münchner Neuesten Nach 
richten* (18. IX. 16). „Um so stärker muß allerdings die Heftigkeit auffallen, mit 
welcher der „Temps* antwortet: „Der Kardinal Gasparri hätte unter allen Umständen 
mehr Zurückhaltung bewahren müssen-* 
Andererseits schien sich nach einem Amsterdamer Bericht der „Deutschen Kriegszeitung* 
(13. XI. 16) in der Tat „im politischen Parteileben Frankreichs eine Umgestaltung in 
dieser Hinsicht vorzubereiten. In einer Geheimsitzung der Altradikalen soll sich eine 
Minderheit gebildet haben, die für eine Wiederherstellung der Beziehungen zum Vatikan 
war, und deren Ausfassung über die künftige Stellung der Kirche in Frankreich sich mit 
der Rechten beinahe vollkommen deckte. Man sprach sogar davon, daß sich der Petit 
Pöre, Senator Combes, dessen einstiger Kultusminister Briand die Kirchentrennung 
durchgeführt hatte, nun für eineAbschaffung des Separationsgesetzes ausgesprochen habe. Die 
Spaltung im Lager der Altradikalen prägte den Beziehungen dieser Partei zum Kabinette 
Briand einen gänzlich neuen Charakter auf. So ließ beispielsweise die Polemik der 
Radikalen gegen den Staatsminister Denys Cochin gänzlich nach; während noch 1915 die 
Reise Cochins nach Rom (vgl.Bd.XI, S.205) als eine heimliche Verständigung Briands 
mit den Klerikalen ausgeschrien und von der Linken aufs heftigste gerügt worden war, 
läßt man es nun zu, daß Cochin sich des Einflusses der Kardinäle Amette und Bau 
drillart bedient, um einen Besuch im Vatikan vorzubereiten. Die Schwenkung war für 
die radikal gesinnte Wählerschaft kein Geheimnis mehr. Im Wahlkreise des Senators 
Remonenq wurde eine „Ausgleichsverhandlung* der Radikalen mit den Klerikalen ver 
anstaltet, ein politisches Geschehnis, das im Departement Var, wo Remonenq und Cle- 
menceau Pairs sind, ungeheures Aufsehen erregte. Am merkwürdigsten ist, daß sich 
auch Generale an diesen Vorgängen eifrig beteiligen. Castelnau betonte in Rennes in 
einer Ansprache, daß gläubige Soldaten der „heiligen Sache des Vaterlandes" größere 
Dienste erweisen als jene Fatalisten, die bei Kriegsausbruch widerstandslos sich dem 
Feinde ergaben, „weil sie darin die Fügung des Schicksals erblickten*. Infolgedessen war 
auch in der Armeekommisston der oft hervorgerufene Zank über klerikale Einflüsse in 
der Armee so gut wie beseitigt.* Ein Zeichen, wie geschickt der Papst diese Stimmungs- 
Wandlung in Frankreich zu verwerten versuchte, ist seine bereits wieder 
gegebene Ansprache vom 7. Dezember 1916 (vgl. S. 319).
	        
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