Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

306 Der türkische Krieg während des fünften Kriegshalbjahres 
beträgt 840 km.) Die Vorbereitungen hierzu waren rasch beendet, und bei sonnenklarem 
Wetter stand eines Morgens unsere Maschine startbereit. 
„Auf Stand 1380 Touren!" Ein zufriedenes Kopfnicken des Flugzeugführers; ein 
Blick, ob die Startbahn frei war, und mit einem herzlichen „Glückab" der anderen Be 
satzungen erhob sich die „Kairomaschine" in die Lüfte und nahm nach einer eleganten 
Rechtskurve Kurs West-Süd-West auf den Suezkanal zu. 
' Bis 2000 m Höhe herrschte nicht unerheblicher Gegenwind, der jedoch in größeren 
Höhen geringer wurde. Nach kaum halbstündiger Flugdauer wurde in 2200 m Höhe 
das überaus zerklüftete Magaragebirge überflogen; bald verschwanden die kleinen weißen 
Zelte der eigenen Vorposten; wir befanden uns hinter den englischen Linien. Bei der 
in der afrikanischen Wüste herrschenden klaren Sicht waren schon im Nordwesten die 
Molen von Port-Said, geradeaus im Westen der große und kleine Bitter-See in ganz 
himmelblauer Färbung erkennbar und im Südwesten der tief dunkelblaue Meerbusen 
von Suez; der Kanal selbst zeichnete sich nur als dünner Streifen ab. 
Gegen 1 /all Uhr vormittags waren die großen, nahezu leeren Truppenlager südöstlich 
Jsmailia hinter uns und in 3000 m Höhe wurde der Leuchtturm im großen Bitter- 
See überflogen. 
In einem der Lager war bereits ein weißer Pfeil nach Westen weisend ausgelegt, 
als Richtungsweiser für die zur Verfolgung gestarteten englischen Flugzeuge: also erkannt 
und angemeldet waren wir. Im großen Bitter-See außerhalb der Kanalsahrrinne 
unterbrachen zwei große Dampsbagger urplötzlich ihre Arbeit durch verschiedentliches 
scharfes Beidrehen nach Back- und Steuerbord, um einem vermuteten Bombenangriff 
zu entgehen. 
Der Suezkanal war überflogen, zwei Wegweiser zeigten nun in der hart am Kanal 
beginnenden öden Wüste Afrikas den weiteren Weg nach Aegyptens alter Hauptstadt; 
im Norden, rechts unten, der Jsmailia-Kanal, der Kairo mit Süßwasser versorgt, im 
Süden, links unten, die ehemalige, jetzt abgebaute Bahnstrecke Suez—Kairo und die bei 
nahe nebenher lausende Pilgerstraße Mekka—Kairo. Eigenartig nimmt sich die scharfe 
Trennung zwischen dem überaus fruchtbaren Nildelta und der gelben Sandwüste durch 
den Jsmailia-Kanal aus. Bis dicht an das nördliche Ufer des Kanals erstrecken sich 
die herrlich grünenden Felder und Wiesen, von Kanälen und Flußarmen des Nils und 
kleinen Bächen durchzogen, und nur wenige 100 m südlicher, jenseits des Süßwasser 
kanals, ist die Bewässerungsgrenze des Nils, und es beginnt die unfruchtbare eintönige, 
gelbe Sandwüste Afrikas. 
Der Djebel Uwebid — eine kleine, in der platten Ebene scharf markierte Erhebung — 
war querab im Süden, als durch den Flimmerkreis des sich drehenden Propellers am 
westlichen Horizont ein auffällig schwarzer Punkt in der eintönig gelben Wüste sichtbar 
wurde, hinter dem sich zwei riesige dunkle Dreiecke erhoben. Ein kurzer Vergleich zwischen 
Gelände und Karte. Kein Zweifel herrschte mehr, der schwarze Punkt war die Haupt 
stadt Aegyptens mit den beiden mächtigen Pyramiden von Gizeh im Hintergrund. Ein 
kräftiger Schlag auf die linke Schulter meines Flugzeugführers und ein freudiger 
Zuruf: 
„Geradeaus, links am Motor vorbei, Kairo! Die beiden Dreiecke sind die Pyramiden, 
hier links der Nil, die Nordecke von Kairo anfliegen!" 
Aus 3200 m Höhe war Kairo auf etwa 75 km Entfernung bereits gesichtet worden. 
Wir waren wie gebannt von dem herrlichen Bilde, das sich aus grauem Dunste immer 
klarer entwickelte. Alle Gefahren des weiten Fluges, bevorstehender Luftkämpfe und 
einer Beschießung durch Abwehrgeschütze, alle Sorge, ob der brave Mercedes-Motor bis 
zum Heimathafen durchhalten würde, waren vergessen.
	        
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