Volltext: Der Völkerkrieg Band 13 (13 / 1918)

266 Rußland während des fünften Kriegshalbjahres 
russischer Persönlichkeiten, wegen Lebensmittelwuchers und verbotener Spekulation in 
russischen Weripopieren, in Metallen und Zucker, verhaftet, darunter der Direktor der 
russisch-französischen Bank Dimitri Rubinstein, der sich vom ärmlichen Kommissionär zu 
dieser Stelle emporgeschwungen hatte. Die Tätigkeit Rubinsteins war der Regierung 
längst bekannt; aber wegen seiner hohen Gönner bei Hofe wagte man nichts gegen ihn 
zu unternehmen, bis endlich die Aufmerksamkeit der Militärbehörden aus ihn gelenkt 
wurde und der Zar eine Untersuchung anordnete. 
Ueber die Verhaftung des Mitarbeiters der „Rowoje Wremja* Manassewilsch 
Manuilow, der verbrecherischer Schiebungen bei Armeelieferung beschuldigt, dessen 
Prozeß dann aber „vertagt* d. h. niedergeschlagen worden war. sowie über die Geschäfte 
Rasputins ist bereits an anderer Stelle einiges mitgeteilt worden (vgl. S. 215 u 252). 
Hier sei nur noch, um wenigstens einige Beispiele zu nennen, zunächst einmal an 
die russischen Gouverneure erinnert, die vom Feinde eroberte Gouvernements des 
Zartums Polen trotzdem verwalteten, und für diese Arbeit die vom Fiskus aus 
gesetzten Gehälter bezogen, ja von einem Ort zum anderen versetzt wurden und Um 
zugsgelder erhielten, obwohl sie nie die Sitze ihrer Gouvernements betreten hatten. 
Tann sei auf einen Artikel der Zeitung „Rjetsch* „Papa Dudykiewicz und seine Kinder* 
aufmerksam gemacht, in dem nachgewiesen wurde, daß Dudykiewicz, der eine Pauschal 
summe von 100060 Rubeln für die Errichtung eines Flüchtlingsheimcs und monatlich 
50000 Rubel für die Unterstützung der in Rostow am Don untergebrachten 4000 
galizischen Flüchtlinge erhielt, unter dem Schutz des Grafen Bobrinski mit seinem Ge 
folge praßte, während die Flüchtlinge in elenden Hütten fast verhungerten. Schließlich 
seien noch die Geschäfte erwähnt, die der frühere Ober Prokurator des Heiligen Synods 
Gabler mit umfangreichen gefälschten Wachslichtbestrllungen oder General o. Rennenkampf 
bei der Liquidation des deutschen Grundbesitzes in Südrußland machte, wobei er sich 
u. a. durch einen Scheinkauf zum Eigentümer eines deutschen Gutes machte, dessen wirk 
licher Besitzer als Rennenkampfs Verwalter dort wohnen blieb. Auch die „Pensionen für 
Schlachtvieh* dürfen nicht unerwähnt bleiben, die von der Intendantur für eine reich 
liche Versorgung des Heeres eingerichtet wurden, wobei die Pensionsinhaber natürlich 
gegen hohe Vergütung möglichst viel Vieh einstellten, dem sie möglichst wenig Futter 
reichten. Das Vieh fiel massenhaft; für das gefallene Vieh wurde eine befonbm Krankheit 
erfunden, die ansteckende „Pustulose*, die den Pensionsinhaber jeder Verantwortung ent 
hob. Gewandte Agenten und Gegenagenten verdienten bei diesen Operationen Millionen. 
Alle diese Skandale begannen mit einem Heidenlärm, endigten aber nach längerer 
Zeit in einem idyllischen Finale. Ihre Folge war, zusammen mit der Rot. eine Un 
zufriedenheit. die, aus den Kreisen der brotlosen Arbeiter ausgehend, sich allmählich über 
alle Schichten der Bevölkerung ausdehnte. 
Unruhen in Petersburg, wobei die englische Botschaft das Ziel der Demonstranten 
war und die Truppen sich weigerten, aus die Kundgcber zu schießen, in Moskau, 
Odesia, Charkow und Krem wurden allgemein nur als der Anfang größerer Unruhen 
angesehen. Daß die russische Regierung diese Ansicht teilte, geht aus den wiederholten 
Eingaben der Gouverneure an den Minister des Innern hervor, in denen auf die Ge 
fahr aufmerksam gemacht wurde, die durch die erregte Volksstimmung der staatlichen 
Sicherheit drohe. Auch ocr Berichterstatter des „Manchester Guardian* (12.1 17) Philipp 
Bcice faßte die Eindrücke, die er in Rußland empfangen hatte, in den Worten zu 
sammen: „Was den gegenwärtigen Zustand der Tinge in Rußland im Rücken der Heere 
betrifft, so wird es für alle Russen immer klarer, daß ernstliche Gefahr droht, falls 
die Regierung das Volk nicht in ihr Vertrauen zieht.* Ganz Rußland glich einem 
einzigen großen Pulverfaß, das nur auf den zündenden Funken wartete.
	        
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